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Über den Daumen gepeilt oder richtig berechnet?

Wie funktioniert eigentlich eine Nennweitenermittlung für Trinkwasserleitungen?
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Man steht auf der Baustelle und ist sprichwörtlich „ohne Plan“. Welcher Rohrdurchmesser soll für die Trinkwasserleitungen unter der Kellerdecke und welcher als Steigestrang montiert werden? „Fang schon mal an“, hat der Chef gesagt.

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Gibt es Empfehlungen wie etwa, im Keller immer 28er und Steigeleitungen in 22, den Rest in 15er? Wohl kaum. Und wenn, dann nur von Jemandem der überhaupt keine Ahnung hat. Die Bestimmung der Rohrquerschnitte unterliegt einer umfangreichen Normung. Die DIN 1988 [2] beschreibt  im Teil 300 das Verfahren zur Bestimmung der Rohrdurchmesser. Anscheinend sah und sieht man also eine Notwendigkeit, hierfür technische Regeln einzuführen und somit nichts dem Zufall zu überlassen.
Warum Nennweiten exakt ermitteln?

Es reicht bei weitem nicht aus, wenn „Wasser aus der Wand“ kommt. Eine Trinkwasserleitung ist quasi die längste Lebensmittelverpackung der Welt. Und als solche werden an diese folgende Anforderungen gestellt:

- Funktionssicherheit
- Wirtschaftlichkeit
- Hygiene
- Komfort

Einzeln betrachtet wird klar, was mit diesen Kriterien erreicht werden soll.

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Funktionssicherheit
Es ist schon ein Unterschied ob eine Dusche im Erdgeschoss direkt über dem Raum mit dem Hauswasseranschluss genutzt wird oder im gleichen Haus im dritten Obergeschoss. In beiden Eigentumswohnungen möchte der Wohnungsinhaber natürlich den Schaum aus den Haaren duschen können. Wer möchte es ihm verdenken? An diesem kleinen Beispiel wird aber schon deutlich, dass sich ein Warmduscher immer die untere Wohnung über dem Hausanschluss unter den Nagel reißen will.

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Wirtschaftlichkeit
Um ganz auf Nummer sicher zu gehen könnte man - dem Wunsch nach Funktionssicherheit gehorchend - einfach dicke Rohre verlegen. Eine 28er Leitung vom Hausanschluss bis zur Dusche dürfte doch wohl ausreichen, oder? Nur: Wer zahlt das Rohr, die Fittings und natürlich die Dämmung? Selbst den gut betuchten Kunden wird man kein Geld für überdimensionierte Leitungen aus der Tasche ziehen können. Und selber möchte man ja auch nicht auf den Kosten sitzen bleiben, etwa nach dem Motto: Hauptsache der Kunde ist zufrieden die Kosten dafür übernimmt die Firma. Das nächste Stichwort sorgt ebenso für eine Verhinderung des Wildwuchses bei Rohrnetzdimensionen.
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Hygiene
Gesetzt den Fall man würde aus einem übertriebenen Sicherheitsbedürfnis heraus nur 28er Rohr in einem Vierfamilienhaus verlegen. Man würde nur noch sehr geringe Fließgeschwindigkeiten in den Rohren erreichen. Das Handwaschbecken im Gäste–WC würde zwar ordentlich versorgt, aber die Leitung dorthin würde vom Wasser aber nur noch durchschlichen. Die Geschwindigkeit läge rechnerisch bei 0,1 Meter pro Sekunde. In der Folge würde sich ein unerwünschter Biofilm ausprägen. Ein Hinweis auf „BIO“ kann auf unseren Lebensmitteln erwünscht sein, geht jedoch in einem Trinkwasserrohr voll nach hinten los. Kleinstlebewesen wie Legionellen und Pseudomonaden im Trinkwasser tragen eben nicht zur Volksgesundheit bei.
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Komfort
Wenn man also nicht dick dimensionieren darf, dann eben ganz dünn, könnte man denken. Nur sind unsere mitteleuropäisch geprägten Gewohnheiten auch teilweise sehr anspruchsvoll. Und wenn dem Kunden ein Duschtempel mit acht Querstrahlen und Rainshower-Dusche gefällt, dann sollte man auch die entsprechenden Leitungsquerschnitte verlegen, damit sein Tempel nicht verhungert.

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Es muss am Ende noch genug ankommen
„Du musst mit dem auskommen was du hast“, hat Mutter damals gesagt und zwei DM (gesprochen zwei De-Mark) mit auf den Schulausflug gegeben. Genauso verhält es sich mit einer Trinkwasserleitung. Man muss mit dem Druck auskommen, der am Hausanschluss anliegt. Ausgehend von zum Beispiel vier Bar, kommt ja während des Durchströmens der Rohre nichts mehr dazu. Im Gegenteil, es wird natürlich Druck verbraucht. Die Kunst der Nennweitenauswahl liegt nun darin, die Rohre so groß zu wählen, dass am Ende der Leitung noch genug Wasserdruck ankommt. Dieses „genug“ nennt man den Mindestfließdruck. Er beschreibt den Druck, den die Armaturen mindestens benötigen, um einwandfrei zu funktionieren. Gemeint ist damit, dass zum Beispiel ein WC-Spülkasten üblicherweise 500 Millibar an Druck benötigt, während ein Klosettdruckspüler für das gleiche WC einen Druck von 1200 Millibar braucht. Nur wenn dieser Druck anliegt, werden die fäkalen Hinterlassenschaften zufrieden stellend auf die Reise geschickt. In zwei ansonsten identischen Häusern einmal mit Spülkästen und einmal mit Druckspülern ist die Anforderung an das Rohrnetz unterschiedlich und führt, wie gleich noch gezeigt wird, zu deutlich anderen Rohrquerschnitten. Damit der Mindestfließdruck auf jeden Fall gewährleistet ist, zieht man ihn vom zur Verfügung stehenden Druck ab. Auf diese Weise ist er rechnerisch nicht mehr vorhanden und kann auf dem Weg zur Bestimmung der Rohrnennweite nicht versehendlich verbraucht werden. Denn fließendes Wasser bedeutet schließlich tatsächlichen Druckverlust.

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Was geht denn da so noch ab?
Der Druck, der übrig bleibt, wenn man vom Anschlussdruck den Mindestfließdruck abzieht, darf dann in der Rohrleitung platt gemacht werden. Druckfresser sind hier:

- Geodätische Höhe
- Wasserzähler
- Apparate
- Rohrreibung
- Einzelwiderstände

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Geodätische Höhe
In einem zweigeschossigen Haus sei im Erdgeschoß und direkt darüber im Obergeschoß jeweils eine Dusche installiert. Die Anschlüsse der Dusche im Obergeschoß seien genau drei Meter über den Duschanschlüssen des Erdgeschosses. Diese drei Meter an Höhe müssen vom Wasser natürlich zusätzlich überwunden werden. Und drei Meter Wassersäule (3 mWS) entsprechen nun mal einem Druck von 300 mbar. Die Dusche im OG ist um 300 mbar benachteiligt. Es ist daher denkbar, dass jeweils unterschiedliche Rohrquerschnitte als Zuleitung für die beiden Duschen in Frage kommen.
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Wasserzähler
Für jede Trinkwasserinstallation wird üblicherweise ein Wasserzähler kurz hinter der Hauseinführung installiert. Dieser Zähler mit seinen mechanischen Bauteilen stellt natürlich einen Widerstand dar. Um die kleinen Rädchen zu drehen, wird Druck „verbraucht“. Und je mehr Wasser hindurchfließt, je schneller sich die Rädchen also drehen sollen, umso mehr Druck wird verbraten.

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Apparate
Immer wenn Wasser auf seinem Weg durch ein Rohrnetz eine Umlenkung oder Querschnittsminderung durchströmt, wird es dadurch gewissermaßen ausgebremst. Also ist jedes mögliche Einbauteil wie Filter, Enthärtungs-, Dosier-, Entsalzungsanlagen oder auch ein Wärmetauscher als Widerstand zu betrachten, der sein Quäntchen an Druck aufbraucht. Dabei weisen beispielsweise hydraulisch geschaltete Durchlauferhitzer einen höheren Widerstand auf (ca. 1000 mbar) als jene mit elektronischer Regelung (ca. 500 mbar).
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Rohrreibung
Wird ein Trinkwasserrohr durchströmt, so reiben sich die Wassermoleküle grundsätzlich an den Rohrwandungen. Dazu wird natürlich Energie benötigt. Und diese entstehende Reibungsenergie sorgt für einen Druckverlust. Je schneller ein Rohr durchströmt wird, desto höher ist die Reibung und folglich der Druckverlust. Um diese Daten zu ermitteln, haben Rohrhersteller Versuche mit ihren Rohren veranstaltet. Daraus entstanden Tabellen mit zugeordneten Rohrreibungsdruckverlusten. Der Grund warum es nicht ausreicht ein Rohr durchzumessen und die Ergebnisse auf andere Rohre zu übertragen liegt im Wesentlichen in der unterschiedlichen Rauhigkeit der verschiedenen Rohrinnenwände.
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Einzelwiderstände
Zu den Einzelwiderständen zählt man Winkel und Bögen, T-Stücke, Ventile, Reduktionen und was sonst noch so verbaut wird in einem Trinkwassersystem. Diesen Bauteilen wird unterstellt, dass sie ebenfalls das Wasser ausbremsen, also einen Druckverlust darstellen. Wie bei anderen Strömungswiderständen auch, ist die Strömungsgeschwindigkeit entscheidend für den Druckverlust eines Einzelwiderstandes. Oft hat man die Wahl ein Bauteil mit relativ hohem Widerstand einzubauen oder ein funktional gleiches Bauteil mit geringerem Widerstand. Beispielsweise gilt dies für einen Winkel (hoher Widerstand) oder Bogen (geringerer Widerstand) oder ein Geradsitzventil (hoher Widerstand) gegenüber einem Schrägsitzventil (geringerer Widerstand).

Was bleibt noch über und wofür?
Man stellt also während der Planung eines solchen Trinkwassernetzes fest, dass ein bestimmter Druckverlust auftritt. Eine beispielhafte Aufstellung soll zeigen, was sich so ansammelt.

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Verluste in Zahlen
Mindestfließdruck einer Dusche:
1000 mbar
Dusche in fünf Metern über Hausanschluss:
500 mbar
Hauswasserzähler:
250 mbar
Drei Apparate mit zusammen:
250 mbar

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Unterstellt man nun einen Versorgungsdruck am Hausanschluss von 4000 mbar dann bleibt ja:

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(Versorgungsdruck) 4000 mbar
(Mindestfließdruck) – 1000 mbar
(geodätischer Druckv.) – 500 mbar
(Wasserzählerdruckd.) – 250 mbar
(Apparatedruckd.) – 250 mbar
(verfügbarer Druck) = 2000 mbar

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Es fehlt nur noch die Rohrlängen und die Winkel, Bogen und T-Stücke. Ihr Widerstand ist ja noch nicht von den 4000 mbar abgezogen. Und genau so wird der Ansatz jetzt fortgesetzt. Den noch zur Verfügung stehenden Druck gilt es jetzt zu verwenden. Im skizzierten Beispiel bleiben noch 2000 mbar über. Diese können und sollten jetzt verbraten werden auf dem Weg zu dieser Dusche. Dicke Leitungen sorgen für geringe Verluste und umgekehrt dünne Leitungen für höhere Verluste. Ist der Weg zu dieser Dusche beispielsweise 20 Meter lang, so könnte man theoretisch auf jedem Meter 100 mbar verbrauchen. Rechnet man die Hälfte des Druckverlustes für die Bogen, T-Stücke und Ventile, dann blieben nur noch 50 mbar pro laufenden Meter Rohr. Man schaut also jetzt in eine Herstellerliste für Rohrdruckverluste und sucht für den zugehörigen Volumenstrom der jeweiligen Leitung den entsprechenden Rohrquerschnitt, bei dem es maximal 50 mbar pro Meter verbraucht. Der zugehörige Volumenstrom einer Dusche beträgt beispielsweise 0,15 Liter pro Sekunde (l/s) und für einen Waschtisch 0,07 l/s. Diese Werte sind für unterschiedliche Armaturen nachzulesen in der DIN 1988-300 [1] oder können sich, wie bei einer Schwallbrause, aus den Herstellerangaben ergeben.
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Wasser auf dem Weg zur Dusche
Die im Beispiel beschriebene Dusche wird also vom Hausanschluss ausgehend versorgt. Betrachtet man jedoch die Trinkwasserleitung (ausgehend von der Dusche) rückwärts in Richtung Hausanschluss stellt man fest, das erste Stück Rohr bis zum ersten T-Stück versorgt nur die Dusche. Das nächste Stück bis zum nächsten T-Stück versorgt Dusche und Waschtisch. Und wieder das nächste versorgt Dusche, Waschtisch und WC. Welchen Volumenstrom soll man jetzt ansetzen und planerisch durch das Rohr fließen lassen um den Druckverlust zu bestimmen? Werden etwa alle drei Verbraucher gleichzeitig versorgt? Jedenfalls nicht nach Norm. Die Zeiten in denen der Sohn unter der Dusche stand während Mutter die Zähne bei fließendem Wasser putzt und Vater nach seinem morgendlichen Geschäft auch noch die Klospülung betätigt, sind vorbei. Es wird für die so genannten Teilstrecken ein Gleichzeitigkeitsfaktor eingerechnet. Und der ist eben nicht gleich Eins. Eins würde bedeuten, alle angeschlossenen Entnahmestellen werden gleichzeitig benutzt. Und dieser Fall tritt nur sehr selten ein. Ein Beispiel dafür wäre eine Reihenduschanlage in einer Waschkaue, in der sich unter 20 Duschen tatsächlich auch 20 Personen gleichzeitig duschen könnten. Ein Wohnhaus wird aber nach Norm keine gleichzeitige Nutzung aller Entnahmearmaturen erleben.

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Die Grundidee zur Dimensionierung von Trinkwasserrohrnetzen ist also recht logisch und nachvollziehbar. Die am Markt erhältliche Software nimmt einem Planenden viel Arbeit ab, meistens muss man nur noch zeichnen. Es spricht also nichts dagegen, diese Berechnungen in Eigenregie zu erledigen. Und wenn man mal an einer kritischen Stelle eine Entscheidung über einen Rohrquerschnitt treffen muss, so helfen hoffentlich die hier beschriebenen Zusammenhänge, das richtige zu tun.

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Literaturnachweis:
[1] DIN 1988-300: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen; Ermittlung der Rohrdurchmesser

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