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Rückstauschutz an Entwässerungsanlagen

Mit und ohne Pumpe

Wenn im Hause des Kunden der Keller unter Wasser steht, trösten sich einige Bauherren mit der Allmacht der Natur. Der sicher größere Anteil der Gebäudeeigner wird aber wahrscheinlich vor oder nach der Aufwischorgie den Anlagenmechaniker bei den Ohren packen, der die Anlage installiert hat.

Wischen impossible: Steht der Keller Zentimeterhoch unter Wasser, ist entwässerungstechnisch der Wurm drin

(Bild: Kessel)

Schließlich war es Aufgabe des Anlagenmechanikers, die Entwässerung des Hauses so zu planen, dass der Kanalinhalt bitteschön in jedem Fall draußen bleibt. Kellerüberschwemmungen beweisen, dass er genau diesen Punkt wohl nicht in den Griff gekriegt hat. Entlastungsversuche mit dem Hinweis auf ein Versagen der Kanalfunktion sind sachlich zwar richtig, aber sinnlos. So oder so muss er mit der Tatsache, so dann und wann mal den Kanal voll zu haben, nun einmal rechnen.

Bei Kanalvollfüllung steigt das Wasser bis auf das Straßenniveau an - und 
ebenso in allen, mit dem Kanal verbundenen Rohren
Bei Kanalvollfüllung steigt das Wasser bis auf das Straßenniveau an - und ebenso in allen, mit dem Kanal verbundenen Rohren

Bis zur Oberkante

Denn wenn es um die Entwässerung von Gebäuden geht, gibt es einen Fachbegriff, dem man unbedingt Beachtung schenken muss. Er lautet Rückstauebene. Mit diesem Begriff wird das Niveau beschrieben, auf das das Wasser im Kanal bei einem so genannten Rückstau ansteigen kann. Ein Rückstau entsteht, wenn der Kanal überlastet wird (z. B. ein Mischwasserkanal bei einem Regenguss) oder wenn es zu einer Verstopfung oder zum Ausfall eines Pumpwerkes kommt. Solche technischen Probleme zeigen, dass auch in einem reinen Abwasserkanal ein Rückstau nicht ausgeschlossen werden kann. Fließt das Abwasser nicht ordnungsgemäß ab, aber es kommt immer neues Abwasser hinzu, steigt logischerweise der Wasserstand im Kanal an. Und zwar bis zu der Höhe, auf der sich das Wasser breitflächig verteilen kann - nämlich auf die Straße. Über Kanaldeckel tritt es dann aus und entlastet das Rohrsystem. Dabei muss man sogar damit rechnen, dass auf der Straße eine gewisse Wassermasse steht. Man geht von einer so genannten Aufstauhöhe von gummistiefeltauglichen zehn Zentimetern aus. Und dieser Wasserstand stellt im Regelfall die besagte Rückstauebene dar. Der Haken dabei ist: Nach dem physikalischen Prinzip der kommunizierenden Röhren steigt das Wasser in den an den Kanal angeschlossenen Rohren ebenfalls auf diese Stauhöhe an. Haben diese Rohre unterhalb dieser Stauhöhe Öffnungen, also Abwasserabläufe, werden sie zweckentfremdet. Denn bei Rückstau tritt aus diesen dann Abwasser aus. Und zwar solange, wie der Rückstau im Kanal andauert bzw. der Keller bis auf die Höhe der Rückstauebene vollgelaufen ist.

Muss nur fäkalienfreies Wasser entwässert werden, genügt eine Pumpe - die 
Rückstauschleife muss aber über die Rückstauebene führen
(Bild: Aco Passavant)
Muss nur fäkalienfreies Wasser entwässert werden, genügt eine Pumpe - die Rückstauschleife muss aber über die Rückstauebene führen (Bild: Aco Passavant)

Die Schleife macht’s

Was kann man tun, damit Abwasser aus dem Kanal um keinen Preis über die Entwässerungsanlage in den Keller drücken kann? Eine Möglichkeit wäre, auf Entwässerungsanschlüsse im Keller einfach zu verzichten. Denn aus Rohren, die keine Anschlüsse haben, kann ja auch nichts austreten. Leider geht das - mit Blick auf die gewünschte Nutzung des Kellers - nicht immer. Sind Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene nötig, müssen diese an einer Leitung angeschlossen werden, die über eine Rückstauschleife entwässert. Diese führt über die Rückstauebene bevor sie das Abwasser in Richtung Kanal schickt. Der Grund dafür ist simpelste Physik. Höher als Straßenoberkante zuzüglich der erwähnten zehn Zentimeter kann sich das Wasser nicht aufstauen. Folglich kann es auch keine Leitungen erreichen, die höher liegen. Die Rückstauschleife ist quasi wie ein Damm. Sie hat ihren Kollegen an den Gewässern zudem voraus, dass bei ihr die maximale Wasserstandhöhe verbindlich und ohne wenn und aber festgelegt werden kann. Über sie kann Abwasser aus dem Kanal also unmöglich in Richtung Haus fließen. Vorausgesetzt, die Rückstauschleife wird tatsächlich über die Rückstauebene geführt. In der Praxis enden sie oft unterhalb der Kellerdecke - obwohl das Straßenniveau draußen deutlich höher liegt. In diesem Fall hat man sich zwar Deckendurchführungen für die Leitung gespart, die Schleife dient aber nur noch dekorativen Zwecken.

Zwei-Wege-Entwässerung: Im Normalfall ohne Pumpe mit Gefälle, bei Rückstau 
mit Pumpe über Rückstauschleife
(Bild: Kessel)
Zwei-Wege-Entwässerung: Im Normalfall ohne Pumpe mit Gefälle, bei Rückstau mit Pumpe über Rückstauschleife (Bild: Kessel)

Pumpe tut Not

Da Abwasser nun einmal nicht bergauf - also auch nicht freiwillig über die Rückstauschleife in Richtung Straßenkanal fließt - müssen sich die rückstaugefährdeten Ablaufstellen mit Hilfe von Pumpen entwässern. Geht es nur darum, fäkalienfreies Abwasser (Grauwasser) abzutransportieren, kann das mit Tauchpumpen geschehen, die in einem offenen Sammelschacht stehen. Fäkalienhaltiges Abwasser (Schwarzwasser) verlangt dann schon nach einem geschlossenen, geruchdichten Sammelbehälter mit Belüftungsleitung und entsprechender Pumpen, also einer Fäkalienhebeanlage. Wichtig ist, dass sich über Pumpe bzw. Hebeanlage tatsächlich nur die Ablaufstellen entwässern, die rückstaugefährdet sind. Schließlich verlangt die DIN EN 12056-4 [1] einen Energie sparenden Betrieb der Entwässerung. Und da wäre es ja Unfug Ablaufstellen, die gefahrlos und mit natürlichem Gefälle entwässert werden können, über die Strom fressende Pumpe zu jagen. Natürlich bekommt man aus dieser Perspektive gesehen ein wenig Bauchschmerzen, wenn die Pumpe nur für den Rückstauschutz nötig ist, die Entwässerung der Ablaufstellen im Keller sonst aber mit natürlichem Gefälle (also ohne elektrischer Energie) möglich wäre. Denn Rückstau im Kanal ist ja nicht die Regel, sondern die Ausnahme. In einem Löwenanteil der Betriebszeit rührt dann die Pumpe das Abwasser aus dem Bau, obwohl man sie momentan gar nicht dafür brauchen würde.

Über Rückstauverschlüsse dürfen nur rückstaugefährdete Ablaufstellen 
entwässert werden
Über Rückstauverschlüsse dürfen nur rückstaugefährdete Ablaufstellen entwässert werden

Eierlegende Wollmilchsau?

Ernüchtert von dieser Erkenntnis liegt es nahe, eins und eins zusammenzuzählen: Kann die Pumpe denn nicht ausgeschaltet bleiben, wenn kein Rückstau im Kanal herrscht? Wenn der Abwasserweg über die Rückstauschleife führen muss, dann läuft ohne Pumpe nichts. Denn ihr Höhenunterschied ist nun mal da und muss überbrückt werden - Rückstau hin oder her. Daraus folgt, dass man zwei Abwasser-Wege braucht, um die Pumpe nur im Rückstaufall anschmeißen zu müssen. Weg Nummer eins ist der des natürlichen Gefälles. Herrscht kein Rückstau, läuft das Abwasser hier ganz natürlich ab. Kommt es zum Rückstau, wird dieser Weg durch eine Klappe verschlossen. Dem weiter von der Hausseite anfallendem Abwasser nimmt sich in diesem Fall eine Pumpe an, die das Abwasser über die Rückstauschleife drückt. Ein Restrisiko-Faktor ist dabei die besagte Klappe. Sie kann durch Ablagerungen oder durch Schäden am Dichtelement undicht werden und bei Rückstau Abwasser in Richtung Hausinstallation vordringen lassen. Dieses Leckwasser würde dann aber sofort von der Pumpe verarztet und wieder Richtung Kanal geschickt. Lediglich dann, wenn die Klappe undicht und gleichzeitig die Pumpe defekt wären, hätte der Hausbesitzer die Gezeiten im Keller.

Hält die Klappe?

Die Klappenproblematik ist von den Rückstaudoppelverschlüssen her bekannt. Ein Verschluss gilt technisch als dicht, wenn über diesen bei einer Aufstauhöhe von 100 mm innerhalb von zehn Minuten maximal 0,5 Liter Wasser drücken. Bei einem Rückstau, der z. B. 30 Minuten lang gegen den Verschluss drückt, können bis zu 1,5 Liter Abwasser aus dem Kanal zurück in die Haus-Entwässerung gelangen. Und das, wenn die Rückstauebene nur 10 cm höher liegt als der Rückstauverschluss. In der Praxis trifft das eher selten zu. Die Höhendifferenz zwischen dem Rückstaudoppelverschluss im Grundleitungsabschnitt und der Rückstauebene (also Straßenoberkante zuzüglich 10 cm) beträgt tatsächlich meistens 200 bis 300 cm. Das bedeutet nicht nur mehr Wasserdruck, der auf die Verschlussklappe einwirkt, sondern auch, dass die Klappe wesentlich mehr Abwasser durchlassen darf als unter Prüfbedingungen. Einen hundertprozentigen Rückstauschutz - so wie er mit einer Rückstauschleife gegeben ist - kann man mit Rückstaudoppelverschlüssen also nicht erreichen. Daher sollen rückstaugefährdete Ablaufstellen nur dann über Rückstaudoppelverschlüsse entwässern, wenn sie sich in Gebäudebereichen befinden, in denen eine Überschwemmung zwar ärgerlich aber kein menschliches und finanzielles Drama wäre.

Richtig platzieren

Wie bei Pumpen und Hebeanlagen gilt auch für Rückstaudoppelverschlüsse: Über sie dürfen nur die rückstaugefährdeten Ablaufstellen entwässert werden. Die Tatsache, dass rechteckige Reinigungsrohre zum Rückstaudoppelverschluss nachgerüstet werden können, führt häufiger zum Tuning der ersten Reinigungsöffnung in der Grundleitung. Dann fließt das gesamte Abwasservolumen des Hauses über einen schwarzwassertauglichen Verschluss. Richtig ist die Überlegung, dass dieser bei Rückstau schließt und ein Eindringen von Abwasser aus dem Kanal in die häusliche Hauptgrundleitung verhindert. So weit, so gut. Da die Hausbewohner die nun geschlossene Sicherheitseinrichtung nicht zur Kenntnis nehmen (können), produzieren sie munter weiter Abwasser. Das kann nicht in den Kanal gelangen und tritt dann an den Keller-Ablaufstellen aus. Der Keller säuft ab. Schwacher Trost: Der Bauherr darf dann sein eigenes Abwasser aufwischen - und nicht das der Nachbarn. So wirklich begeistert davon wird er aber sicher nicht sein und denjenigen, der den Rückstaudoppelverschluss falsch angeordnet hat, bei den Ohren packen.

Literaturnachweis:

[1] DIN EN 12056-4: Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 4: Abwasserhebeanlagen; Planung und Bemessung

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