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Mission Possible

Hydraulischer Abgleich im Bestand

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Für das Gebäude aus dem Jahre 1974 scheint es keine wirtschaftliche Lösung mehr zu geben um den hydraulischen Abgleich wenigstens einigermaßen herzustellen. Die angesprochenen Fachleute schütteln reihenweise den Kopf und winken ab. Da fliegt Crom Tuise plötzlich dieser Datenschieber auf den Tisch.

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Anhand dieses Schiebers wird die Mission plötzlich für ihn durchführbar. Und nun ist Crom am Zug. Er kalkuliert und nennt dem Hausherren seinen Preis. Und diesmal erhält Crom den Zuschlag. Mach mir den Abgleich, heißt der Auftrag. Und wenn es klappt, winken noch ein paar Folgeaufträge. Kompetenz spricht sich nämlich herum und der wieselflinke Problemlöser würde bald für Gesprächsstoff in Fachkreisen sorgen. Aber mal ganz langsam mit den jungen Pferden, wo lag eigentlich bisher das Problem? Ein hydraulischer Abgleich ist doch kein Selbstzweck.

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Wozu denn?

In der weitläufigen Villa aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts versorgt eine ganz normale Warmwasserheizung die Wohnräume mit Wärme. Die Heizlast, damals noch der Wärmebedarf, hatte entschieden welche Leistungen für welche Räume notwendig sind. Nur zwei extreme Beispiele dieser Villa sollen kurz verdeutlichen, über was hier geschrieben wird. Im Gäste-WC der Villa hängt ein winziger Heizkörper damit man es auch im Winter noch lange genug dort aushält. 500 Watt soll dieses Teil liefern. Ein anderer Heizkörper hängt im feudalen Wohnzimmer unterm Fenster und soll 2000 Watt bringen. Beide Heizkörper und noch einige andere hängen, wie immer, am gleichen Heizkessel, der im Keller steht. Die Umwälzpumpe schnurrt vor sich hin und soll all diese Heizkörper vorschriftsmäßig versorgen. Spätestens jetzt wittert man die Schwierigkeit. Wie soll das Wasser, mit einem IQ deutlich unter 15, den richtigen Weg im Netz finden? Oder warum sollte das erwärmte Wasser viermal lieber (2000 / 500 = 4) zum Wohnzimmer strömen als zum Gäste-WC? Es wird also vom Kessel aus durch die Pumpe nur angeschoben, nicht aber dirigiert im Sinne von „fahr mal links“ oder „fahr mal rechts“. In der Folge wird bei weit geöffneten Heizkörperventilen der Heizkörper im Wohnzimmer wohl annähernd den gleichen Schluck Heizungswasser bekommen wie der Heizkörper im Gäste-WC. Dem Heizkörper im Gäste-WC geht es dabei fühlbar gut. Die Sitzung kann auch im tiefsten Winter ruhig etwas länger dauern. Nur im Wohnzimmer will sich nicht die richtige Wohlfühltemperatur einstellen. Dem überversorgten Heizkörper im Gäste-WC steht ein unterversorgter Heizkörper im Wohnzimmer gegenüber. Der Grund für dieses Dilemma ist schnell gefunden. Ein Heizkörper wird für eine gewisse Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf ausgelegt. Nehmen wir an, es würde eine Vorlauftemperatur von 70 °C angesetzt und eine Rücklauftemperatur von 55 °C, dann wäre der Heizkörper in der Mitte rund 62,5 °C heiß, denn (70 + 55) / 2 = 62,5. Wenn das Wasser sehr viel langsamer durchplätschert, kühlt es sich deutlich stärker ab. Zum Beispiel könnte das Wasser mit 70 °C vom Kessel starten aber so langsam durch den Heizkörper strömen, bis es sich auf 30 °C abkühlt. Es ergäbe sich an diesem Heizkörper eine mittlere Temperatur von nur noch 50 °C, denn (70 + 30) / 2 = 50. Und jetzt kommt der kluge Schluss, den man aus dieser Rechnung ziehen kann: Wenn der Heizkörper ursprünglich für eine Spreizung von 70 °C auf 55 °C dimensioniert wurde, dann wird seine Leistung bei einer größeren Spreizung, wie 70 °C auf 40 °C, wohl geringer sein. So läuft es noch immer millionenfach in Heizkörpern dieser Welt und eben in dieser Villa. Und damit, wie in diesem Beispiel, der Wohnzimmerheizkörper mit 2000 Watt dann doch seine ehemals erdachte Leistung bekommt, wird ein hydraulischer Abgleich notwendig. Man beschnibbelt den Heizkörper im Gäste-WC und mit dem was dann wieder übrig bleibt, wird der Heizkörper im Wohnzimmer versorgt.

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Geht es auch anders?

Bisher wurde für die unterversorgten Heizkörper des Hauses einfach eine dickere Pumpe eingebaut. Der Erfolg ließ dann nicht lange auf sich warten. Der Wohnzimmerheizkörper wurde tatsächlich ausreichend warm und im Gäste-WC jubelte das Thermostatventil in höchsten Tönen. Man munkelt, die Ventile drücken dadurch ihre Freude aus über die intensive Durchströmung. Andere bezeichnen es als störenden Lärm der in einer ordentlichen Heizungsinstallation nichts verloren hat. Fakt ist jedoch, ohne diese unsinnige Überdimensionierung von Pumpen könnte ordentlich Krach eingedämmt werden, bei gleichzeitig geringerem Stromverbrauch. Nur an den Bestand traut man sich nicht so recht ran. Die Begründung, woanders auch als Ausrede bekannt, besagt dann: „Wir können die Berechnungsgrundlagen so schwer ermitteln.“ Nur ist das ein recht schwaches Argument, wie gleich belegt wird. Die Berechnungsgrundlagen sind auch im Bestand recht gut ermittelbar.

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Bestandsaufnahme

Der Tag X ist gekommen. Mit seinem blitzblanken Servicefahrzeug fährt Crom auf der akkurat geharkten Kiesauffahrt vor. Er schaut sich an diesem, vom Frühnebel verschleierten Morgen, in der alten Villa um. Er notiert die Heizkörpergrößen und schiebert unauffällig an seinem High-Tech-Datenschieber herum. Er notiert sich den eben schon erwähnten Heizkörper im Gäste-WC: Typ 11 mit einer Länge von 700 mm. Crom liest ab, dass dieser Heizkörper tatsächlich für eine HK-Leistung von 0,5 kW also 500 Watt dimensioniert wurde und der HK-Volumenstrom rund 28,5 Liter pro Stunde (l/h) betragen sollte. Die eingebauten Ventile vom Typ Danfoss „RA-N“ müssten daher den Einstellwert zwischen 2 und 3 erhalten. Katzengleich schleicht er zum Wohnzimmer und fällt auf die Knie. Dieser Heizkörper vom Typ 22 hat eine Baulänge von etwas über 1600 mm. Seine Leistung liegt daher irgendwo bei 2,0 kW und der Volumenstrom sollte 115 l/h betragen. Das wird klappen bei einer Ventileinstellung von „N“, also ungedrosselt. Crom verrichtet seine Arbeit an allen 17 Heizkörpern im Haus, Küche, Typ 22, 600 mm lang, 780Watt, 45 l/h, Stellung 3 bis 4 ... Und so wie er gekommen ist, verlässt er die Villa auch wieder. Nicht ganz 65 Minuten hat er gebraucht, für etwas das die Konkurrenz für unmöglich hielt.

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Die Hintergründe

Mit dieser Aktion wurden feste Widerstände in das Rohrsystem eingebracht. Ebenso hätte man im Zulauf zum Heizkörper des Gäste-WCs das Kupferrohr ein wenig platt hauen können (bitte nicht praktizieren). Dadurch wäre der Widerstand erhöht worden und ein wesentlich größerer Anteil des strömenden Heizungswassers würde an dem Gäst-WC vorbei jagen, als wenn es einen unverminderten Querschnitt hätte. Mit dem skizzierten Verfahren lassen sich Bestandsanlagen effizient und kostengünstig einregulieren. Der Datenschieber erleichtert dabei die Vorgehensweise. Und idealerweise flitzt man nur mit diesem Schieber durch das Haus und findet jeden Einstellwert wie eben musterhaft beschrieben. In der Praxis sind natürlich auch noch ein paar andere Heizkörper am Markt eingebaut. Praktikabel ist es dann, wenn bei einem Ortstermin zur Erstellung des hydraulischen Abgleichs die entsprechenden Listen von Heizkörpern zur Hand sind. Über die Heizkörpermaße und gemäß einer angenommenen Vor- und Rücklauftemperatur lässt sich dann auf die Leistung des Heizkörpers schließen und wiederum der Einstellwert am Datenschieber ermitteln. Andere Ventiltypen erfordern andere Schieber oder auch Herstellertabellen. Aber das Prinzip, der Gedanke und der Erfolg, stellen sich ähnlich ein.

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Was fehlt?

Die dargelegte Vorgehensweise ist praxistauglich und erprobt. Laut Pumpen- und Ventilhersteller können Gebäude bis zehn Wohneinheiten (WE) nach diesem Schema abgearbeitet werden. Der Grund für die Einschränkung auf zehn WE liegt in folgendem Zusammenhang begründet. Zurück zur Villa: Das Rohrnetz in der betrachteten Villa ist sehr verzweigt. Der Heizkörper im Gäste-WC liegt direkt über dem Heizraum. Das Heizungswasser strömt daher zuerst an diesem Heizkörper vorbei. Der Druckverlust auf diesem kürzesten aller Wege ist daher auch sehr gering. Der Heizkörper im Wohnzimmer hingegen liegt am weitesten von Kessel und Pumpe entfernt. Der Druckverlust zum Durchströmen von Vor- und Rücklauf ist daher am größten. Das Dilemma für den Wohnzimmerheizkörper hat also vor dem hydraulischen Abgleich zwei Gründe gehabt. Zum einen benötigt der Wohnzimmerheizkörper wegen seiner höheren Leistung mehr Heizungswasser (Volumenstrom). Und nebenbei liegt er auch noch ungünstiger bezüglich des Druckverlustes im Rohrnetz. Was für diese Villa an Ungenauigkeit geduldet werden kann, wirkt sich in riesigen Netzen natürlich immer deutlicher aus. Die Wohnanlage mit 80 WE beispielsweise und einem Gäste-WC-Heizkörper direkt über dem Heizraum und dem letzten Wohnzimmerheizkörper in 80 Meter Entfernung, 7. Stock, differieren natürlich schon aufgrund der unterschiedlichen Rohrreibungsdruckverluste erheblich. Daher ist auch die Vorgehensweise für derartige Objekte etwas aufwendiger, aber auch dann immer noch keine „Mission Impossible“.

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