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Zum Teufel mit dem Flicken

Wie funktioniert eigentlich die Innenabdichtung einer Gasleitung?

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Alte Gasleitungen bestehen häufig aus Gewinderohr. „Gas gehört in Stahl“, verkündete dereinst der Meister. Kommen die dann in die Jahre und werden undicht, kann die Reparatur zum Horrortrip werden. Jedenfalls wenn man versucht, einzelne Lecks zu flicken. Stressfreier ist da schon die Anwendung des Innenabdichtungsverfahrens.

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Sind Gewinde an einer Gasleitung undicht und die Reparatur steht an, muss man sich mit verschiedenen Schwierigkeiten herumschlagen. Weiß man nur, dass eine Leitung undicht ist - aber nicht wo - geht die Suche nach dem Leck los. Was an zugänglichen Leitungen machbar ist, wird an den unter Putz oder in Installationsschächten liegenden Rohren zum Problem. Und selbst wenn die undichten Gewinde gefunden sind, ist man noch lange nicht übern Berg.
Gewinde - sonst nichts
In den Bauten der 50iger Jahre liegen die Rohre häufig dicht beieinander. Um hier Gewindeverbindungen zu erneuern, muss man tief in die Trickkiste greifen. Oft bleibt einem sogar nichts anderes übrig, als unbeanstandete Leitungen zu demontieren, um an das Sorgenkind heranzukommen. Wenn man dann zu den undichten Gewinden vorgedrungen ist, können die Erschütterungen und Bewegungen, die bei ihrer Reparatur unvermeidbar entstehen, bis dato dichte Gewinde undicht ruckeln. Willkommen zur „Leck-Jagd“ entlang der Leitung und Waidmannsheil. Kann eine Leitung nicht einfach komplett erneuert werden, stellt die Anwendung des Innenabdichtungsverfahrens nach DVGW-Arbeitsblatt G 624 [1] eine gute Alternative zur herkömmlichen Reparatur dar. Allerdings können mit dieser Technik nur undichte Gewindeverbindungen saniert werden. Es handelt sich also nicht um ein Heilmittel für Korrosionsschäden. Und es ist auch keine „Innenbeschichtung“, kein „Ausschäumen“ und auch kein „Ausschleudern“, auch wenn man diese Begriffe in der Praxis oft zu hören bekommt. Vereinfacht beschrieben, wird ein flüssiges Abdichtungsmittel (auch Dispersion genannt) in die Leitung eingefüllt und unter Druck gesetzt. In die Kapillaren der undichten Gewinde dringt das Mittel ein. Wird die Füllung anschließend wieder abgelassen, verbleibt das in die Gewinde eingepresste Mittel dort und dichtet diese ab. Das klappt aber nur, wenn das Leck nicht zu groß ist. In einer Verbindungsstelle, die 5 l/h oder gar noch mehr Gasverlust hat, kann sich das Mittel nicht festsetzen. Hier würde die Dispersion direkt wieder ausfließen. Man erreicht nichts, von der verursachten Sauerei mal abgesehen.
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Schritt für Schritt
Steht fest, dass die Leckrate der undichten Leitung die Fünf-Liter-Grenze nicht erreicht, scheint die Anwendung des Verfahrens möglich. Ob es dann tatsächlich anwendbar ist, stellt sich allerdings erst zu Beginn der Arbeiten heraus.
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Schritt 1: Belastungsprobe
Zunächst muss sicher sein, dass die Leitung keine Korrosionsschäden hat. Das wird überprüft, indem man die Leitung einer Belastungsprobe unterzieht. Wenn es tatsächlich Schwachstellen gibt, sollen die dabei erkannt werden. Bevor die Belastungsprobe durchgeführt wird, müssen natürlich Gaszähler, Armaturen sowie Gas-Druckregelgeräte ausgebaut und die Gasgeräte von der Leitung abgetrennt werden. Die Belastungsprobe wird dann mit inerten Gas (z. B. Stickstoff), jedoch nicht mit Sauerstoff, einem Prüfdruck von 3 bar und einer Prüfzeit von etwa drei bis fünf Minuten vorgenommen. Da ein plötzlich auftretender Korrosionsschaden mit abplatzenden korrodierten Metallteilen einhergehen kann, sollte man sicherstellen, dass sich während der Druckbeaufschlagung niemand in unmittelbarer Nähe der Leitung aufhält. Gibt es während der Belastungsprobe keine bösen Überraschungen, wird danach nochmals die Gasleckmenge ermittelt. Der erneut gemessene Leckagewert soll mit dem Wert der ersten Messung übereinstimmen. Ist die Leckage durch die Belastungsprobe größer geworden, liegt ihre Ursache wahrscheinlich nicht (nur) bei undichten Gewinden. In dem Fall sollte die Leitung besser erneuert werden.
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Schritt 2: Reinigen
Bevor die Gasleitung mit der Abdichtungsdispersion gefüllt wird, muss sie von innen gereinigt werden. Schließlich kann man den größten Teil des Mittels später wieder aus der Leitung ablassen und weiter verwenden. Das geht aber nur, wenn das Mittel nicht allzu verunreinigt ist. Zur Reinigung wird die Leitung mit inerten Gas oder mit Druckluft unter etwa 3 bar Druck gesetzt. Am weitesten Rohrquerschnitt wird ein Schlauch angeschlossen und bis ins Freie geführt. Dann wird der Kugelhahn am Schlauchanfang schlagartig geöffnet. Der Druckabfall reißt Dreck, Rost und Staub aus dem Rohr. Diesen Vorgang wiederholt man solange, bis dabei keine Verunreinigungen mehr austreten. Hat man dafür keine freie Fläche (wie z. B. ein Rasen-Stück) zur Verfügung, sollte man bei den ersten Ausblasvorgängen einen nassen Sack über das Schlauchende stülpen, um den Staub ein wenig auszufiltern. Schließlich trägt Roststaub, der in direkter Nähe von Fenstern in die Luft gepustet wird, nicht zur Kundenzufriedenheit bei.
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Schritt 3: Befüllen
Ist die Gasleitung sauber, kann sie mit Dispersion gefüllt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass das verwendete Mittel das Verfallsdatum nicht überschritten hat. Die Befüllung geschieht mit einer Membranpumpe, die mit Stickstoff, aber auch mit Druckluft betrieben werden kann. Die Pumpe saugt die Abdichtungsflüssigkeit über ein Tauchrohr, das in den Dispersionseimer gehängt wird, an. Dabei ist es wichtig, dass das Mittel an der höchsten Stelle der Leitung noch mit einem Überdruck von 3 bar ansteht. Da die Pumpe bis zu 7 bar Druck erzeugen kann, ist die Sanierung von Leitungen mit bis zu 40 m Höhe möglich. Der Druck von mindestens 3 bar ist erforderlich, um das Mittel - wie schon beschrieben - in die undichten Gewindeverbindungen zu pressen.
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Schritt 4: Entlüften
Nach dem Befüllen der Leitungen muss an sämtlichen Gasentnahmestellen entlüftet werden. Dazu sind eigens Entlüftungshähne eingebaut worden. Weil man ja nicht weiß, wo die Gasleitung undicht ist, muss die vollständige Befüllung sichergestellt sein. Dafür verwendet man einen Schlauch, der in einem Eimer mündet. Um sicherzustellen, dass sich in der Leitung innerhalb des Mittels keine Lufteinschlüsse befinden, sollte etwa ein halber Liter der Flüssigkeit beim Entlüften an jedem Leitungsende entnommen werden.

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Schritt 5: Standzeit abwarten
Die gefüllte Leitung muss dann 30 Minuten (Herstellerangaben beachten!) lang unter Druck stehen. Damit bei einem leckbedingten Druckabbau in der Leitungsanlage weiterhin Dichtmittel nachfließen kann, bleibt die Membranpumpe weiterhin mit Stickstoff oder Druckluft versorgt. Möglich ist auch der Einsatz eines Druckhaltegefäßes. Das gestattet es, die Pumpe direkt nach dem Befüllen von der Leitung abzutrennen und die nächste Leitung des Hauses in Angriff zu nehmen.
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Schritt 6: Mittel ablassen
Sind die 30 Minuten vorüber, wird das Mittel abgelassen. Dabei ist die Leitung zu belüften; ansonsten fließt die Dispersion nicht in den Auffangbehälter. Wenn keine größeren Mengen Dichtmittel mehr „freiwillig“ austreten, wird die Leitung nochmals mit 3 bar Pressluft-Druck beaufschlagt. Durch schnelles Öffnen des Befüllhahnes reißt die Luft restliches Mittel aus der Leitung. Um ein Herausspritzen des Dichtmittels aus dem Auffangbehälter zu vermeiden, sollte man ihn mit einem Tuch abdecken. Diesen Vorgang wiederholt man solange, bis damit keine Abdichtungsflüssigkeit mehr aus der Leitung zu Tage gefördert werden kann.

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Schritt 7: Molchen
Als Molche bezeichnet man Schaumstoffkörper, die das restliche Dichtmittel aus der Leitung entfernen. Denn besonders aus längeren waagerechten Leitungsabschnitten kann man das Mitteln nicht allein durch Druckschübe wieder herausholen. Die Molche werden an den Gasentnahmestellen eingesetzt und von oben nach unten mit Stickstoff oder Druckluft durch die Leitung gedrückt. Die Größe der Molche muss man so auswählen, dass der Schaumstoffkamerad auch den größten Leitungsquerschnitt ausfüllt, durch den er rutschen muss. Denn nur so bleibt der Gasdruck zum anschieben hinter dem Molch. Und nur so kann der Molch auch tatsächlich Mittel von den Rohrwandungen abstreifen. Sollte einmal ein Molch nicht wieder ans Tageslicht zurück wollen, kann man einen anderen Molch als „Rettungsmolch“ verwenden. Raus sind sie bisher immer gekommen. Wenn nicht am Stück, dann halt in vielen Einzelteilen. Damit die Molche nicht im Dichtmittel abtauchen, unentdeckt bleiben und bei der nächsten Baustelle in der Pumpe festsitzen, werden sie durch ein Lochblech, das in einem großen T-Stück eingelegt ist - der Molchauffangvorrichtung - aufgehalten. Die Molche können anschließend mit Wasser ausgewaschen und wieder verwendet werden. Das zurückgewonnene Dichtmittel ist mehrfach wieder verwendbar. Verunreinigtes Dichtmittel kann mit einem Sieb mit maximal 1 mm Maschenweite gereinigt werden.
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Schritt 8: Trocknen
Um die Leitung zu trocknen, bläst man mit einem Gebläse Raumluft durch die Leitung. An den Leitungsenden wird dabei eventuell austretendes Mittel über Rohrbogen und angehängten Eimern aufgefangen. Nach gut einer Stunde hat man dem Mittel in den Gewinden genügend Feuchtigkeit entzogen.
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Schritt 9: Prüfen
Abschließend wird die Dichtheitsprüfung ausgeführt. Mit 150 mbar Prüfdruck muss sich zeigen, dass die Leitung dicht ist. Der Druck muss also stehen, darf weder abfallen noch ansteigen.

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Die Durchführung der Dichtheitsprüfung, sowie die Abdichtungsarbeiten werden dokumentiert. Ferner muss in der Nähe des Gaszählers ein Schild angebracht werden: „Diese Gasleitung wurde mit ... abgedichtet.“ So weiß man später immer auf einen Blick, ob und mit welchem Mittel mal saniert wurde. Auf alle Fälle kann man sicher sein, mit diesem Verfahren alle undichten Gewinde erwischt zu haben; die, die man als solche erkannt hat und auch die, die für eine Kontrolle nicht zugänglich waren. Damit gehören auch Undichtheiten, die durch eine Reparatur entstehen, der Vergangenheit an.

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von  Jörg Scheele

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Literaturnachweis:
[1] DVGW-Arbeitsblatt G 624: Nachträgliches Abdichten der Gasleitungen von Gasinstallationen

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Film zum Thema

Wie die Innenabdichtung einer Gasleitung durchgeführt wird, zeigt der Film Schritt für Schritt..

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