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Vom Wandel der Energien

Wie funktioniert eigentlich Verdunstungskälte?
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Ganz sanft streifte der Wind über die Schweißperlen auf Sonjas nackter Haut und sorgte kurzfristig für Kühlung. Dieser ungestüme Anlagenmechaniker hatte sie aber auch …
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Was sich hier liest wie der Ausschnitt aus einem Roman von Rosamunde Pilcher, beschreibt blumig den hilfreichen Effekt der Verdunstungskälte. Und auch dass, was passieren kann, wenn ein Anlagenmechaniker mal Hand an eine Wellness-Oase legt. Je nach Standpunkt schätzt man diesen Effekt sehr oder verteufelt ihn maßlos. Wer jemals mit durchnässter Kleidung in einem Sturm gestanden hat, kennt auch die Schattenseiten, an die Sonja sich wohl gerade nicht erinnern will.
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Die Grundsätze
Das Prinzip der Verdunstungskälte soll am Beispiel von Wasser erläutert werden. Viele andere Stoffe können den gleichen Effekt auslösen, sind aber im täglichen Leben nicht so präsent. Wasser ist in drei Aggregatzuständen zu finden, das ist nichts Neues. Fest, flüssig und gasförmig kann es angetroffen werden. Und diese drei Zustände lassen einen Rückschluss auf den Zusammenhalt der Wassermoleküle zu. Sind die Moleküle sehr träge und bewegungsarm, ist der Energiegehalt eher gering. Der feste Zustand ist in der Lage enorme Belastung auszuhalten. Je nach Eisdicke sind tonnenschwere Lasten kein Problem. Wird diesem Eis Energie zugeführt, so erhalten die Wassermoleküle ein höheres Energieniveau und sie werden animiert zu immer wilderen Tänzchen. In der Folge liegt Wasser dann flüssig vor. Wird die Energiezufuhr weiter fortgesetzt, belebt sich auch der Tanz immer mehr. Wasser wird dabei immer dünnflüssiger. In der Fachwelt spricht man von abnehmender Viskosität bei zunehmender Temperatur. Bei fortlaufender Energiezufuhr gerät der Tanz der Moleküle irgendwann außer Kontrolle, Wasser wird gasförmig. Unter normalen Umgebungsbedingungen sind die Temperaturen für den Wechsel der Aggregatzustände bis Null Grad Celsius für den festen Zustand, und bis 100 °C für den flüssigen Zustand, oberhalb dieser Temperatur ist Wasser gasförmig. Diese Zusammenhänge sind aus der Erfahrungswelt des Alltages bekannt.
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Das Experiment
Anders verhält es sich jedoch mit dem Bezug zum jeweiligen Energieniveau. Die Abschätzung hierüber entzieht sich oft unserer Beobachtung. Daher vollziehen Sie bitte folgendes Experiment erstmal vor Ihrem geistigen Auge nach, später können Sie es ja recht einfach real ablaufen lassen und damit den hier beschrieben Vorgang beweisen. Ein Schälchen wird mit Eis befüllt; ein Klumpen aus der Tiefkühltruhe mit einer Temperatur von minus 14 Grad Celsius reicht aus. Die Schale mit dem Eis wird auf ein Stövchen gestellt. Darunter befindet sich eine Kerze von der Größe eines Teelichtes. In den Eisklumpen stecken Sie den Fühler eines schnell reagierenden Thermometers. Wenden Sie ihre Aufmerksamkeit nun ausschließlich der Temperaturanzeige zu. Die Beobachtung zeigt nun (wen wundert es) eine kontinuierlich steigende Temperatur, da das Stövchen dem Eis einheizt. Unerwartet erlebt die Erhöhung jedoch einen Einbruch bei genau Null Grad Celsius. Der Verlauf stagniert, steigt also nicht weiter an. Obwohl die Kerze unter der Schale brennt, also Energie liefert, führt dies nicht zur erwarteten Erhöhung der Temperatur. Nach geraumer Zeit, das gesamte Eis ist mittlerweile geschmolzen, steigt die Temperatur wieder. Dieses erste Phänomen markiert den Übergang von fest auf flüssig. Jede Menge Energie ist notwendig um den Molekülen die Bewegungsspielräume zu vergrößern, Die Temperatur bleibt bei diesem Wechsel konstant. Im Anschluss an diese erste Beobachtung möchte man gähnend einschlafen, denn die Temperatur steigt wiederum kontinuierlich 12, 13, 14... Dann wieder dieses Mysterium, plötzlich stoppt der Temperaturanstieg nochmals, diesmal bei 100 Grad Celsius. Und wieder steigt die Temperatur erst nach geraumer Zeit, obwohl kontinuierlich die gleiche Energiemenge via Kerze übertragen wird. Der zweite Haltepunkt markiert abermals einen Zustandswechsel, jetzt von flüssig nach gasförmig. Die Erkenntnis aus diesem Versuch drängt sich zwar noch nicht sofort auf, ist aber elementar für das Verständnis der Verdunstungskälte.
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Die Einsichten und Zahlen
Um Wasser vom festen in den flüssigen oder dann vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu verwandeln benötigt man jeweils eine große Menge Energie. Erst wenn diese Energiemenge zur Verwandlung geliefert wurde, lässt sich die Temperatur weiter erhöhen. Während zur Erwärmung von einem Kilogramm Wasser von 99 Grad Celsius auf 100 Grad Celsius die Energiemenge von rund 1,163 Wh notwendig wird, ist zur weiteren Steigerung um ein weiteres Grad die Energiemenge von 626,9 Wh notwendig. Also erheblich mehr. Diese Energie wird zum Wechsel des Aggregatzustandes benötigt. Bei der Abkühlung oder sogar der Kondensation dieses dann entstandenen Wasserdampfes kann die enthaltene Energie natürlich auch wieder „entnommen“ werden. Die enthaltenen 626,9 Wh an Energie werden beim Übergang von gasförmiger zu flüssiger Phase auch wieder abgegeben. Dieser Effekt beherrscht die Heizungsszene seit Jahren und wird mit dem Oberbegriff Brennwert-Technik bezeichnet. Gut, also, Energie ist notwendig, um Wasser zu verdampfen, aber Kühlung mit 100 Grad heißer Brühe dürfte doch wohl nicht klappen. Aber Wasser muss ja auch nicht verdampfen um gasförmig zu werden. Wer jemals der Wäsche auf der Leine beim trocknen zugesehen hat, der kennt den Prozess der Verdunstung und hat - nebenbei bemerkt - verdammt viel Zeit und Muße.
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Der Ausgleich macht’s
Ist zur Verdampfung von Wasser unter normalen Bedingungen noch eine Temperatur von 100 Grad Celsius notwendig, so läuft die Verdunstung auch bei geringeren Temperaturen ab. Das Trocknen von Wäsche auf der Leine, der ausgetrocknete Siphon der Dusche nach dem Sommerurlaub, Sonjas Kühlungserlebnis nach dem Besuch ihres Monteurs, sind deutliche Belege dafür. Die Voraussetzung hierfür ist ein weiteres physikalisches Prinzip. „Die Natur versucht kontinuierlich Ungleichgewichte auszugleichen“ Und das Ungleichgewicht einer feuchten Oberfläche zu relativ trockener Luft reicht aus, um Wasser ebenfalls dampfförmig werden zu lassen. Im Falle von Sonja hat Sie den Körperschweiß auf gute 38 °C aufgeheizt. Der Luftzug, bei einer sommerlichen Temperatur von 25 °C soll noch nicht mit Dampf (also Feuchte) gesättigt sein. Diese Luft kann und wird daher noch Feuchte aufnehmen. Erst bei völliger Sättigung dieser Luft kommt diese Verdunstung des Schweißes zum Erliegen. Völlige Sättigung von Luft empfinden wir Menschen im Sommer übrigens als Schwüle. Sie merken jetzt auch schon den Zusammenhang: Wenn Luft bei großer Hitze keine weitere Feuchte mehr aufnehmen kann, wird es für Menschen oft ungemütlich, da der Schweiß, nicht mehr verdunsten kann. Verdunstung sorgt also ebenfalls für den Wechsel des Aggregatzustandes. Aber dem dann dampfförmigen Wasser sieht man es nicht an ob es nun bei 100 °C durch Kochen verdampft ist oder bei 25 °C auf Sonjas Heut verdunstet ist. Nur, und jetzt sind wir endlich bei der Kühlung, bei der Verdunstung hat Sonjas Hautoberfläche die notwendige Energie geliefert, was diese junge Frau als Kühlung empfand. Irgendwo musste die Energie ja herkommen. Also, egal ob durch Verdampfung bei 100 °C oder Verdunstung bei 25 °C, und noch nicht mit Dampf gesättigter Luft, der Wechsel findet nur statt, wenn Energien fließen. Aber warum empfindet Sonja einen Luftzug als besonders erfrischend? Na, weil die Luft die sich soeben mit der Feuchte verbunden hat bei entsprechendem Luftaustausch wieder erneuert wird. Und die neue Luft nimmt wiederum Feuchte auf und kühlt folglich. Bei stehender Luft würde diese recht schnell an Feuchte gewinnen, aber den Prozess der Verdunstung dabei immer weiter verlangsamen.
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Die Erkenntnisse für Praxis
Stellt man also eine feuchte Oberfläche zur Verfügung und lässt Luft über diese Fläche strömen die noch aufnahmefähig für Feuchte ist, so findet immer eine Verdunstung statt. Diese Verdunstung nimmt die Energie aus der Umgebung, also auch von der feuchten Oberfläche. Dies bezeichnet man als Verdunstungskälte. In der Praxis ist die augenfälligste Anwendung der Kühlturm eines herkömmlichen Kraftwerkes. Diese Riesen vernichten 2/3 der Energien die in diesem Kraftwerk umgesetzt werden. Die Verdunstung tritt deutlich sichtbar ins Freie nämlich als verdunstetes Wasser. Aber auch die Anlagentechnik nutzt dieses schlichte Prinzip seit Jahrzehnten zur kostengünstigen Bereitstellung von Kühlenergie. Durch geschickte Anordnung der Komponenten sind mittlerweile sehr kompakte Geräte verfügbar die diesen Effekt nutzen. Im besten Fall kühlen solche Geräte durch indirekte Verdunstungskälte die im Sommer angesaugte Zuluft für einen Raum um bis zu 14 Grad. Die viel teurere und energetisch aufwendigere Alternative wäre für solche Aufgaben eine Kältemaschine zu betreiben. Es lohnt sich also diese Technik näher zu betrachten. Und statt Sonja die Briefmarkensammlung zu zeigen, könnte man ihr ja mal erklären was da so auf ihr vorgeht.

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