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Erklär mal: Druckströmung

Geht es um die Entwässerung größerer Flachdach-Flächen, sind eine Anzahl von Dachabläufen und natürlich Abflussrohre erforderlich. Werden sie mit Gefälle verlegt, kommen sie irgendwann zwangsläufig in Bereiche, die man eigentlich ganz anders nutzen wollte. Fazit: Man verzichtet aufs Gefälle. Aber geht das so einfach?

Eine konventionelle Entwässerung ist für den Freispiegelbetrieb ausgelegt. Freispiegel bedeutet, dass das ablaufende Wasser eine Wasseroberfläche, den Spiegel, im Rohr hat. Das Rohr ist folglich beim Ablaufvorgang nicht vollständig mit Wasser gefüllt. Auf diese Weise ist eine Luftströmung möglich, die für Druckausgleich und ein störungsfreies Ablaufverhalten sorgt. Der Motor des Ablaufes ist dabei das Gefälle der Leitung.

Platzfresser Abfluss

Was das Wasser auf Trab hält, wird in der Praxis besonders bei der Entwässerung größerer Dachflächen zum Problem. Hier sind oft größere Distanzen zu überbrücken. Selbst wenn man mit dem, in der DIN 1986-100 [1] festgelegten Mindestgefälle von nur 0,5 cm/m arbeitet, hat die Leitung auf einer Länge von beispielsweise 50 m eine Höhendifferenz von 25 cm überbrückt. Die Leitung entfernt sich immer weiter von der Decke. Und damit „wandert“ sie in Bereiche, die der Hallenbetreiber für andere Zwecke nutzen möchte. Hinzu kommt: Da auf der Strecke die Volumenströme von immer mehr Abläufen zusammengeführt werden, ist in Fließrichtung eine immer größer werdende Nennweite erforderlich. Dicke Rohre, lange Fließwege und Gefälle führen dazu, dass der Abfluss irgendwann buchstäblich im Weg ist. Die Alternative dazu ist, auf lange Sammelleitungen zu verzichten. Das bedeutet, dass je nach Größe des zu entwässernden Hallendaches, zahlreiche Fallleitungen erforderlich sind und ein entsprechendes Grundleitungssystem unter der Halle verlegt werden muss. Aber gerade auf Grundleitungen soll ja nach den Festlegungen der DIN 1986-100 möglichst verzichtet werden.

Saugen statt plätschern

Hinsichtlich der Grundleitungs-Problematik erscheint die Installation von Sammelleitungen als die bessere Wahl. Bedient man sich dabei der Dachentwässerung mit Druckströmung, hat man sogar das Platzproblem erschlagen. Denn bei dieser Technik können die liegenden Rohrleitungen ohne Gefälle montiert werden. Darüber hinaus kommt das System mit nur einem Viertel des Leitungsquerschnittes aus, als der bei einem herkömmlichen Entwässerungssystem erforderliche. Das liegt daran, dass das Wasser hier nicht einfach so vor sich hinplätschert, sondern buchstäblich vom Dach abgesaugt wird. Dies geschieht nach dem Prinzip eines Winkelsaugers. Der Trick hierbei ist es, eine Vollfüllung der Regenwasserleitung zu erreichen. Denn nur wenn in den Leitungen eine geschlossene Wassersäule „rutscht“, kann der gewünschte Saugeffekt entstehen. Um das zu Wege zu bringen, sind spezielle Dachabläufe nötig. Fließt Wasser ab, dann geschieht das immer mit einer Wirbelbildung am Ablauf. Dabei wird in der Mitte des Ablaufes Luft mit angesaugt und gelangt ins Rohrsystem. Diese Luft verhindert eine Vollfüllung der Leitung und damit auch einen Absaugeffekt. Deshalb sind die Dachabläufe bei Druck-Entwässerungs-Systemen mit einer Art Kappe ausgestattet, die oben geschlossen ist und das Wasser nur an den Seiten einfließen lässt. Der Luft ist der Weg in die Rohrleitung also versperrt. Natürlich entsteht nicht beim ersten, leichten Nieselregen ein Absaugeffekt. Der kann erst dann eintreten, wenn so viel Wasser abfließt, dass sich die angeschlossene Regenwasserleitung vollständig mit Wasser füllt.

Die gewollte Vollfüllung sorgt für den richtigen „Schwung“ in der Abwasserleitung

H+T Der Sanitärinstallateur

Die gewollte Vollfüllung sorgt für den richtigen „Schwung“ in der Abwasserleitung

Gewollter Aufstau

Solange das nicht der Fall ist, wird das Dach ohne Saugwirkung entwässert. Da die Rohre kleiner sind als bei einer herkömmlichen Dachentwässerung, schlucken sie in dieser Phase des Betriebes auch weniger Wasser. Es kommt zu einem gewollten Aufstauen von Regenwasser auf dem Dach. Dieser Aufstau sorgt dann rasch für die Bildung einer geschlossenen Wassersäule, die durch die Leitung gedrückt wird. Da die Sammelleitungen ohne Gefälle verlegt werden, wird das Wasser allein durch den geodätischen Druck, der durch die Höhendifferenz zwischen Wasserstand auf dem Dach und Mitte der Sammelleitung entsteht, bewegt. Erreicht die Wassersäule die Fallleitung, bewirkt ihr abstürzen, dass der Saugeffekt entsteht. Jetzt fließt das Wasser nicht mehr einfach nur in die Dachabläufe. Es wird nun eingesaugt. Schluckt ein normaler Dachablauf DN 100 maximal 4,5 l/s, so muss der Ablauf eines Druckentwässerungssystems gleicher Nennweite nach den Festlegungen der DIN EN 1253 [2] mehr als 12 l/s ableiten.

Schematische Darstellung eines Dacheinlaufs

Schematische Darstellung eines Dacheinlaufs

Abgleich erforderlich

Wird die Höhendifferenz zwischen Wasserstand und Mitte der Rohrleitung, die so genannte Anlaufhöhe, zu gering gewählt, fließt das Wasser zu langsam ab und es kann passieren, dass dann kein Saugeffekt eintritt. Ebenfalls funktionslos bliebe die Anlage, wenn die Fallleitung als Absturzstrecke zu groß dimensioniert wurde. Sobald das abstürzende Wasser nicht mehr den ganzen Querschnitt der Leitung ausfüllt, entsteht keine Winkelsaugerwirkung. So kann es bei diesem System auch nötig sein, die Fallleitung kleiner auszulegen als die Sammelleitung. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass in den Leitungen kein größerer Unterdruck auftritt als von 900 mbar. Um diese Betriebsbedingungen zu gewährleisten, ist eine genaue Berechnung der Rohrweiten erforderlich. Hierfür bieten die Systemhersteller Softwareprogramme mit Schulung an. Um eine möglichst gleichmäßige Leistung einer Entwässerungsanlage mit Druckströmung zu erreichen, muss ein genauer Druckabgleich der einzelnen Dachabläufe bzw. Verzweigungspunkte durchgeführt werden. Das kann man teilweise durch den Einsatz entsprechender Rohrnennweiten erreichen. In größeren Anlagen wären dann aber zum Teil so kleine Rohrdimensionen hydraulisch nötig, die man in der Praxis niemals als Entwässerungsleitung einsetzten würde. Dann bleibt nur die Möglichkeit, durch die Art und Weise der Rohrführung den nötigen hydraulischen Abgleich zu erreichen.

Die Rohrleitungen benötigen aufgrund des geringeren Gefälles weniger Platz unterhalb der Decke

Die Rohrleitungen benötigen aufgrund des geringeren Gefälles weniger Platz unterhalb der Decke

Notüberlauf muss sein

Dies kann durch die Anordnung der Fallleitung geschehen. Günstig ist es, wenn sie zwei gleich lange Strömungswege entwässert. Das erleichtert nicht nur den Druckabgleich. Man ermöglicht so auch die Installation kleiner Rohrdimensionen, da die Saugwirkung, die das abstürzende Wasser in der Fallleitung erzeugt, für jeden Strömungsweg voll zur Verfügung steht. Beim Anschluss von Dachabläufen sollten möglichst zwei oder mehrere Anschlussleitungen zusammengefasst werden. Dies ergibt für die Anschlussleitungen annähernd gleiche Druckverluste. Auf diese Weise ist ein rasches Anlaufen der Unterdruck-Entwässerung weitgehend gewährleistet und die zu erwartende Aufstauhöhe auf dem Dach bleibt begrenzt. Allerdings muss man auch mit dem Fall rechnen, in dem die Entwässerung nicht in Schwung kommt. Zum Beispiel dann, wenn Abläufe durch Blätter verstopft sind. Bei einem kräftigen Regenguss staut sich das Wasser auf dem Dach. Und dann kann es gefährlich werden. Denn nun wird das Dach mit zusätzlichen Massen belastet. Um zu verhindern, dass sich mehr Wasser auf dem Dach aufstaut, als es die Statik verkraften kann, sind Notabläufe anzuordnen. Die Einläufe der Notabläufe müssen so hoch liegen, dass sie bei der gewünschten Aufstauhöhe noch funktionslos sind. Erst wenn diese überschritten wird, müssen sie das Wasser vom Dach ablassen. Anordnung und Querschnitt der Notabläufe müssen ein Jahrhundert-Regenereignis (also ein Regen mit einer Stärke, wie sie in 100 Jahren nur einmal für eine Dauer von fünf Minuten vorkommt) vollständig abführen können.

[BU: Notüberlauf, falls mal etwas schief läuft]

Entgegen normativer Festlegungen sollte für den Notfall eine Ablaufleistung der normalen Dachentwässerung nicht berücksichtigt werden. Denn bei einem Starkregenereignis kann es zu einem Rückstau im Entwässerungssystem kommen, der die Ablaufleistung erheblich verringert. Deshalb müssen Notüberläufe auch immer frei auf dem Gelände ausmünden. Sie sind ja nur für den Ausnahmefall da. Der aber, wird wohl nur alle hundert Jahre mal eintreten. Denn gerade weil das Druck-Entwässerungssystem mit kleinen Nennweiten und hohen Fließgeschwindigkeiten arbeitet, hält es sich quasi automatisch sauber und so auch betriebssicher. Und das ganz ohne Gefälle.

Literaturnachweis:
[1] DIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056
[2] DIN EN 1253: Abläufe für Gebäude

Film zum Thema
Dachent­wässerung mit Druck­strömung

Das Prinzip der Dachent­wässerung mit Druck­strömung kann man sich an einer Animation ansehen. Sie zeigt den normalen Ablauf, die Vollfüllung der Leitung sowie die Funktion des Notüberlaufs bei Starkregen.

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