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Regenentwässerung

In Freiheit oder unter Druck?

Die früher ausschließlich praktizierte Ableitung von Regenwasser in die öffentliche Kanalisation ist teilweise überholt. In vielen Gebieten Deutschlands ergibt sich durch die ständige Erweiterung der Bebauung eine starke Überlastung der öffentlichen Kanäle. Der Neubau oder die Erweiterung der öffentlichen Kanäle ist aus finanziellen Gründen oftmals nicht möglich. Viele Städte und Gemeinden verwehren deshalb ganz oder zumindest teilweise die Einleitung von Regenwasser vom Grundstück in die öffentliche Kanalisation. Aufgrund dieser Problematik gewinnt die Anwendung der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung auf Grundstücken immer mehr an Bedeutung.

Was fordern die Regelwerke?

Gemäß den aktuellen Regelwerken sollten bei der Planung und Bemessung von Regenentwässerungsanlagen vorrangig alle Möglichkeiten der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, wie zum Beispiel die Speicherung und Nutzung, Versickerung oder die Einleitung in ein oberirdisches Gewässer, genutzt werden, um die Einleitung von Regenwasser in die öffentliche Kanalisation nachhaltig zu reduzieren.
Alle wichtigen Anforderungen für die Planung und Bemessung von Regenentwässerungsanlagen sind in der DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“ zusammengefasst.

Zweiteiliger gusseiserner Flachdach­ablauf für Freispiegelentwässerung

Zweiteiliger gusseiserner Flachdach­ablauf für Freispiegelentwässerung
Freispiegelentwässerung und planmäßig vollgefüllt betriebene Regenwasserleitungen mit Druckströmung

Bild: ACO-Passavant

Freispiegelentwässerung und planmäßig vollgefüllt betriebene Regenwasserleitungen mit Druckströmung

Dachentwässerung

Bei Dächern unterscheidet man grundsätzlich zwischen geneigten Dächern (Steildächern) und Flachdächern. Die Regenwasserableitung von geneigten Dächern kann sowohl mit vorgehängten Rinnen als auch mit innenliegenden Rinnen vorgenommen werden. Flachdächer werden größtenteils über Flachdachabläufe oder innenliegende Rinnen entwässert.
Gemäß DIN 1986-100 kann die Regenentwässerung über Freispiegelsysteme oder planmäßig vollgefüllt betriebene Regenwasserleitungen mit Druckströmung erfolgen.
Freispiegelentwässerung
Freispiegelentwässerungen werden als drucklose Systeme geplant und in der Regel teilgefüllt betrieben. Die Entwässerungsleitungen müssen mit Gefälle verlegt werden.
Nach DIN 1986-100 dürfen nur Dachabläufe verwendet werden, die den Anforderungen der DIN EN 1253 entsprechen oder für die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) bzw. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) vorliegt.
Druckströmungsentwässerung
Bei Dachentwässerungen mit Druckströmung werden im Gegensatz zu Freispiegelentwässerungen die Leitungen planmäßig vollgefüllt betrieben. Hierbei handelt es sich wie bei Freispiegelentwässerungen um Entwässerungsanlagen nach dem Schwerkraftprinzip. Der gravierende Unterschied gegenüber den Freispiegelentwässerungsanlagen besteht darin, dass bei Dachentwässerungen mit Druckströmung wesentlich mehr Druckhöhe zur Überwindung der Strömungsverluste durch Rohrreibung und Einzelwiderstände zur Verfügung steht, wodurch sich wesentlich kleinere Rohrdimensionen ergeben.
Bei Freispiegelentwässerungen resultiert die Druckhöhe lediglich aus dem Rohrsohlengefälle. Die wesentlich größere Druckhöhe bei Dachentwässerungen mit Druckströmung ergibt sich aus der Höhendifferenz zwischen der Wasserlinie über dem Dachablauf und der Rückstauebene. Dachentwässerungsanlagen mit Druckströmung werden grundsätzlich nur oberhalb der Rückstauebene geplant und ausgeführt, wodurch auch bei Rückstau die uneingeschränkte Funktion gewährleistet ist.
Planmäßig vollgefüllte Regenwasserleitungen dürfen gemäß DIN 1986-100 ohne Gefälle verlegt werden.
Die Dachabläufe müssen für planmäßig vollgefüllt betriebene Dachentwässerungsanlagen geeignet sein.

Druckhöhe bei Freispiegel- und Druckströmungsanlagen

Druckhöhe bei Freispiegel- und Druckströmungsanlagen
Zweiteiliger gusseiserner Flachdachablauf für Druckströmung

Bild: G Saint Gobain HES

Zweiteiliger gusseiserner Flachdachablauf für Druckströmung

Dachbegrünung

Dachbegrünungen haben in den letzten Jahrzehnten aufgrund der ökologischen, funktionalen und gestalterischen Vorzüge erheblich an Bedeutung gewonnen. Die exakte Planung und Ausführung der Regenentwässerungsanlagen von begrünten Dachflächen stellen höchste Anforderungen an die beteiligten Fachleute. Eine genaue Koordination zwischen Architekt, Statiker, Dachbegrünungsfachmann sowie Sanitärplaner und Fachinstallateur ist die wichtigste Voraussetzung für einwandfrei funktionierende und sichere Regenentwässerungsanlagen bei Dachbegrünungen.
Bei Dachbegrünungen muss die Entwässerung durch den Schichtaufbau (Substrat) und über die Oberfläche sichergestellt sein. Die Entwässerung kann über Freispiegelsysteme oder planmäßig vollgefüllt betriebene Regenwasserleitungen mit Druckströmung erfolgen.

Unterscheidung von Dachbegrünungen

Intensivbegrünungen sind nur durch eine intensive Pflege mit regelmäßiger Wasser- und Nährstoffversorgung dauerhaft zu erhalten. Die verwendeten Pflanzen stellen sehr hohe Ansprüche an den Schichtaufbau der Dachbegrünung.
Einfache Intensivbegrünungen sind in der Regel mit Gräsern, Stauden und Gehölzen ausgebildet. Die verwendeten Pflanzen stellen geringere Ansprüche an den Schichtaufbau.
Extensivbegrünungen sind naturnah angelegte Vegetationsformen, die sich weitgehend selbst erhalten und weiterentwickeln. Im Normalfall ist der Pflegeaufwand sehr gering.

Zweiteiliger Gussablauf mit Kontrollschacht bei Intensivbegrünung

Bild: Düker / ACO-Passavant

Zweiteiliger Gussablauf mit Kontrollschacht bei Intensivbegrünung

Balkone und Loggien

Nach DIN 1986-100 sollten Balkone und Loggien grundsätzlich einen Ablauf oder eine vorgehängte Rinne erhalten. Haben Balkone und Loggien eine geschlossene Brüstung, so muss zusätzlich zum Ablauf ein Notablauf oder ein Notüberlauf von mindestens 40 mm lichter Weite in der Brüstung vorhanden sein.
Das generelle Verbot für den Anschluss von Abläufen zur Entwässerung von Balkonen und Loggien an Regenwasserfallleitungen von Dachentwässerungen soll aufgehoben werden. Die Planung und Ausführung muss hierbei aber so erfolgen, dass es bei unterhalb angeordneten Balkonen und Loggien bei Starkregenereignissen nicht zu Überflutungen mit Wasserschäden kommen kann.
Eine Erdgeschosswohnung sollte aus Sicherheitsgründen grundsätzlich getrennt an die Grundleitung angeschlossen werden.

Notentwässerung

Zahlreiche Schadensereignisse an Flachdächern in Leichtbauweise und die stetige Zunahme an Starkregenereignissen haben normative Anforderungen für die Planung und Bemessung von Notentwässerungen erforderlich gemacht.
Gemäß DIN 1986-100 sind bei Dachkonstruktionen mit innenliegenden Rinnenentwässerungen und Flachdächern in Leichtbaukonstruktion, wie zum Beispiel Trapezblechdächer, Notentwässerungen vorzusehen.
Bei allen anderen Dachkonstruktionen ist unter Berücksichtigung der zu erwartenden Regenereignisse am Gebäudestandort zu überprüfen, ob Notentwässerungen erforderlich sind.
Für die Notentwässerung können Notüberläufe (zum Beispiel rechteckige bzw. runde Öffnungen in der Attika) oder Notabläufe (Attikaabläufe bzw. Notabläufe mit Rohrsystemen) eingesetzt werden.
Rohrsysteme zur Notentwässerung sind als Freispiegelsysteme oder als planmäßig vollgefüllt betriebene Systeme mit Druckströmung zu bemessen.
Die Notentwässerung darf nicht an die Entwässerungsanlage angeschlossen werden, sondern muss mit freiem Auslauf auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen abgeleitet werden.
Die Regenentwässerungsanlage und das Notentwässerungssystem müssen gemeinsam mindestens den am Gebäude­standort über fünf Minuten zu erwartenden Jahrhundertregen entwässern können.

Entwässerung von Außenflächen

Die Entwässerung von Außenflächen erfolgt in der Praxis größtenteils über Hofabläufe (Punktentwässerung) oder Entwässerungsrinnen (Linienentwässerung).

Anforderungen an Entwäs­serungen von Außenflächen

Abläufe und Rinnen sind in den Tiefpunkten der Außenflächen anzuordnen.
Abläufe und Rinnen von Außenflächen unterhalb der Rückstauebene müssen über Abwasserhebeanlagen entwässert werden (einzige Ausnahme: Gemäß DIN 1986-100 sind bei Flächen ≤ 5 m2 unter bestimmten Voraussetzungen Rückstauverschlüsse zulässig).
Bei unbefestigten Außenflächen ist die Fläche um den Ablauf im Umkreis von mindestens 0,5 m zu befestigen.
Zur Vermeidung von Geruchsproblemen beim Mischsystem müssen die Abläufe in einem Abstand ≥ 2 m von Fenstern und Außentüren bewohnter Räume bzw. von Terrassen angeordnet werden. Ist dies nicht möglich, müssen Geruchverschlüsse in frostfreier Tiefe von mindestens 0,8 m eingebaut werden.

Notüberlauf und Notablauf

Bild: Düker / ACO-Passavant

Notüberlauf und Notablauf
Entwässerungsrinne mit Ablauf

Bild: ACO-Passavant

Entwässerungsrinne mit Ablauf

Druckfestigkeit von Regenwasserleitungen

Nach DIN 1986-100 müssen Abwasserleitungen bei einem inneren und äußeren Überdruck bis 0,5 bar unter den zwischen ihnen und ihrer Umgebung möglichen Wechselwirkungen dauerhaft dicht sein.
Bei Regenwasserleitungen innerhalb von Gebäuden können unter bestimmten Betriebszuständen, wie zum Beispiel bei Rückstau oder Verstopfung, wesentlich höhere Innendrücke entstehen. Hierzu heißt es in der Euronorm DIN 12056-3 unter Punkt 7.6.4: „Innenliegende Regenwasserleitungen müssen in der Lage sein, dem Druck zu widerstehen, der durch Verstopfung entstehen kann.“
Bei Strömungsumlenkungen können im Überlastungsfall erhebliche Kräfte auftreten. Schäden im Bereich von nicht längskraftschlüssigen Verbindungen, insbesondere bei Regenfallleitungen mit großer Fallleitungslänge, sind die Folge.
Bei Dachentwässerungen mit Druckströmung muss nach DIN 1986-100 die gewählte Verbindungstechnik entsprechend den Erfordernissen des Systems dauerhaft wasser- und luftdicht sein. Die Befestigungen müssen die auftretenden statischen und dynamischen Beanspruchungen sicher aufnehmen und in das Bauwerk ableiten können.
Durch die rechnerische Kontrolle des Innendrucks bei der Rohrdimensionierung von Dachentwässerungen mit Druckströmung sind die Unter- und Überdruckbereiche der Anlage bekannt. Die vorgesehenen Systemkomponenten sind streng nach den Montage- und Befestigungsrichtlinien der Hersteller in den jeweiligen Unterdruck- respektive Überdruckbereichen einzusetzen.
Die bei Regenwasserleitungen bedingt durch höhere Innendrücke auftretenden Kräfte werden in der Praxis üblicherweise durch den Einbau von Rohrverbindungen mit zugfesten Sicherungsschellen (Krallen) und stabilen Befestigungen aufgefangen.

DICTIONARY

Überlastung = overload
Regelwerke = rules and standards
Entwässerungsanlage = drainage system
Höhendifferenz = vertical height

Dükorapid-Verbinder mit Kombi-Kralle

Bild: Düker

Dükorapid-Verbinder mit Kombi-Kralle

Schwitzwasserdämmung

Nach DIN 1986-100 müssen innenliegende Regenwasserleitungen gegen Schwitzwasser gedämmt werden, falls die Temperaturen im Gebäude und die Luftfeuchtigkeit dies erfordern.
Durch diese Anforderung sollen Schäden, die durch Schwitzwasserbildung entstehen können, sicher vermieden werden.
Die Schwitzwasserbildung entsteht bei Unterschreitung der Taupunkttemperatur an der Rohroberfläche. So muss zum Beispiel bei einer Rohroberflächentemperatur von + 5 °C bereits bei einer Raumtemperatur von + 20 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30 % mit Schwitzwasserbildung gerechnet werden.
Zur Schwitzwasserdämmung von innenliegenden Regenwasserleitungen dürfen nur geeignete diffusionsdichte Dämmstoffe eingesetzt werden.

Schwitzwasser­geschütztes VML-Abflussrohrsystem

Bild: Saint Gobain HES

Schwitzwasser­geschütztes VML-Abflussrohrsystem
Elektrische Rohrbegleitheizung mit Regeleinheit

Bild: Raychem

Elektrische Rohrbegleitheizung mit Regeleinheit

Begleitheizung

Zur Begleitheizung wird in der DIN 1986-100 Folgendes gefordert: „Wenn Eis und Schnee Abläufe, innenliegende Dachrinnen und Leitungen blockieren können und dadurch das Eindringen von Wasser in das Gebäude möglich oder die Standsicherheit der Dachkonstruktion gefährdet sein kann, sollte eine Begleitheizung installiert werden.“
Bei im Freien oder in unbeheizten Gebäuden verlegten Regenwasserleitungen ist die Notwendigkeit einer Begleitheizung mittels elektrischer Heizbänder zu prüfen. Hierbei müssen neben den Regenwasserleitungen gegebenenfalls auch die Regenrinnen sowie Dach- oder Rinnenabläufe elektrisch beheizt werden.
Bei Regenentwässerungsanlagen innerhalb von beheizten Gebäuden sowie bei vorgehängten Regenrinnen wird in der Regel auf eine Begleitheizung verzichtet.

Bernd Ishorst
ist Geschäftsführer des Informationszentrums Entwässerungstechnik Guss (IZEG) sowie der Gütegemeinschaft Entwässerungstechnik Guss. Zudem gehört er dem Arbeitsausschuss V2 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ im Normenausschuss Wasserwesen an.
Telefon: (0 22 26) 90 95 46 0,

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