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Kampf der Systeme

Arten der Verrohrung in der Heizungstechnik
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Die Zeit in der Kapitalismus und Kommunismus in einem ständigen Kampf der Systeme standen, scheinen vorbei. Nur in einer winzigen Branche möchte man sich noch nicht einigen. Nicht etwa über Marx oder Bush, wohl aber über Tichelmann und seine rohrige Verwandtschaft.

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Nicht das man sich bis aufs Blut bekämpft. Nein, eine Koexistenz ist möglich. Besonders in etwas älteren Bauten findet man die Einrohrheizung. Regional eingegrenzt findet man das Anbindesystem. Standard ist Standard und wird deutschlandweit verbaut. Tichelmann, der Gute, wird schon mal da angetroffen, wo jemand Muße hatte und eine Anlage optimal zu Ende denken durfte, also eher selten. Wieder stellt sich die Frage, warum vier Systeme überleben. Wo es doch nur darum geht heißes Wasser durch einen kofferähnlichen Stahlbehälter zu jagen, würde es dem geneigten Anlagenmechaniker reichen, wenn man ihm das Beste anbietet.
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Grundsätzliches
Allen Rohrsystemen ist gemein, dass man, angelehnt an die Heizleistung der angeschlossenen Heizkörper, einen ordentlichen Volumenstrom durchs Rohr schickt. Die Formel dazu lautet wie vor hundert Jahren:

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Umgestellt um den Massenstrom zu ermitteln lautet es dann:

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In den folgenden Ausführungen sind geschoßweise jeweils fünf Heizkörper angebunden mit einer Leistung von jeweils 1500 Watt, also zusammen 7500 Watt. Die Temperaturdifferenz für die Heizungsanlage zwischen Vor- und Rücklauf beträgt 70/55 also 15 Kelvin. Wasser kann für die Berechnungen im Heizungsbau ausreichend genau mit einer spezifischen Wärmekapazität von 1,163 Wh/(kgK) angenommen werden. Daher ergibt sich für das Beispiel der folgenden Seiten grundsätzlich ein Volumenstrom der ersten Teilstrecke von:

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Diese Tatsache liegt allen vier Systemen zu Grunde. Nur dann kommen die Unterschiede.
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System I: Standard
Vor- und Rücklauf werden parallel verlegt. Immer wenn gerade ein Heizkörper „im Weg steht“, wird dieser angeschlossen. Man bezeichnet diese Art der Verlegung auch als horizontale Verteilung im Zweirohrprinzip. Der Heizkörper A (HK A) kriegt als erster sein Fett weg. Hydraulischer Abgleich ist Pflicht, denn HK A liegt im System am günstigsten, gefolgt von B, C, D und E. HK E bekommt seinen notwendigen Schluck aus der Pulle, weil seine Vorgänger entsprechend appetitgedrosselt gefahren wurden. Erkennbar ist das an den unterschiedlichen Kv-Werten der Ventile. Diese werden von A (0,36 m³/h) bis E (0,43 m³/h) immer größer. Alle 5 sind zufrieden, vorausgesetzt, der Chef hat den hydraulischen Abgleich vorher berechnet und vor Ort wurde dieser dann auch so eingestellt.
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System II: Tichelmann
Der Vorlauf wird zum HK A gelegt und dann zum HK B weitergeleitet usw. Nur der Rücklauf wird nicht parallel dazu gezogen. Der letzte Heizkörper im System, hier also HK E wird mit als erster Heizkörper in den Rücklauf eingebunden, der vorletzte, hier HK D, als zweiter usw. Das ergibt nicht nur ein ungewöhnliches Bild, sondern schafft gravierende Vorteile für die Hydraulik in diesem System. Denn nun wird HK A mit dem kürzesten Vorlauf und dem längsten Rücklauf bedient. Und HK E ist am längsten Vorlauf, dafür aber am kürzesten Rücklauf. An den Druckverlusten der Thermostatventile kann man leicht erkennen, dass keiner so richtig aus der Reihe tanzt. Die Kv-Werte pendeln um 0,32 m³/h. Auch wenn der Chef nix berechnet hätte würden die Heizkörper wahrscheinlich gleichmäßig warm.

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System III: Anbindesystem
Es wird ein zentraler Verteiler aufgebaut, die dicke Zuleitung ist die letzte größere Leitung, denn ab hier muss jede Zuleitung nur noch einen Heizkörper versorgen. Und das klappt halt doch bis zu recht hohen Leistungen. Vom Verteiler wird also, wie bei einem Spinnengewebe, alles nach außen verteilt. Dabei ist es einerlei ob auf dem Weg zu HK B vielleicht der HK A liegt und die Rohrdimension hätte vielleicht für beide ausgereicht. Meist wird diese Montageart mit Kunststoffrohr ausgeführt. Einer wickelt ab in Richtung Heizkörper, der andere fixiert auf dem Beton und so wird zügig und ohne langes Nachdenken die Bude klar gemacht. Der hydraulische Abgleich trifft natürlich auf unterschiedliche Leitungslängen und damit unterschiedliche Druckverluste. Die Kv-Wert differieren folglich schon auffällig zwischen 0,48 m³/h und 0,56 m³/h. Und würde man HK A nicht eindrosseln, würde HK E sicherlich nur vermindert leistungsfähig sein.

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System IV: Einrohrheizung
Eine ehemals gut gemeinte Tugend der Deutschen war die Sparsamkeit. Und diese führte zur Einführung der Einrohrheizung. Man legt also nur ein Rohr (daher auch der clevere Name) an den Anschlussstellen der Heizkörper vorbei. Am Heizkörper selbst wird ein Anschluss ausgeführt. Nur freiwillig läuft das Wasser natürlich nicht in diesen Körper. Lieber bliebe es im Rohrsystem als sich durch den zusätzlichen Widerstand des Heizkörpers zu drücken. Das geht nur zwangsweise. Man reduziert also den Leitungsquerschnitt mittels eines Einrohrventils. Das Heizwasser wird quasi geteilt. Die Druckverhältnisse werden, wie in dem Beispiel IV simuliert, mit einem 30-prozentigen Anteil durch den Heizkörper getrieben und 70 Prozent strömen direkt daran vorbei. Im gleichen Ventil trifft sich das abgekühlt Wasser aus dem Heizkörper und mischt sich wieder mit den 70 Prozentanteil des noch heißen Wassers. Am HK A mischt es sich also schon mal runter (hier auf 67 °C). HK B bekommt nur noch 67 grädiges Wasser und mischt dieses nach seiner Wärmeabgabe und ebenfalls einer Mischung von 30 zu 70 wiederum runter auf 64 °C dann in HK C auf 61 °C, in HK D auf 58 °C und HK E nimmt letztlich diesen nur noch warmen Schluck und muss damit auskommen. Damit dieser die gleiche Leistung hat wie seine Vorgänger muss HK E entsprechend größer sein. Die Heizkörper werden also in Fleißrichtung des Rohres immer größer, da sie mit immer geringeren Temperaturen rechnen müssen. Der hydraulische Abgleich steckt im Einrohrheizungsventil. Hier kann beispielsweise auch der Massenstrom über den Heizkörper verändert werden.
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Der Rohrverbrauch
Vergleicht man den systemespezifischen Rohrverbrauch, kommt folgendes Bild für die dargestellte Beispielanlage zum Vorschein:

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Klar, die Einrohrheizung kann ein wenig punkten bei der verwendeten Länge. Wäre dieses Kriterium das einzige für das Siegertreppchen, müsste man die Krone überreichen. Aber die Nachteile der immer weiter abnehmenden Temperatur und damit verbunden die Vergrößerung der Heizfläche bleibt bestehen. Zweiter Platz in Sachen Rohrverbrauch liegt beim Standard. Dritter Platz beim Rohrverbrauch gebührt dem Technikprimus „Old Tichelmann“. Letzter Platz bleibt mit deutlichem Abstand zu Tichelmann dem Anbindesystem. Das Anbindesystem kann nur punkten wenn es denn auch sehr schnell verlegt wird. Die Differenz an mehr Rohrmaterial muss durch eine deutlich schnellere Verlegbarkeit wieder wettgemacht werden.
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Die Druckverluste
Die Druckverluste, also Pumpendrücke, sind für ein Heizungssystem während der gesamten Betriebszeit aufzubringen. Das sind meist mehr als 30 Jahre. Das Pümpchen muss in dieser Zeit mit teurem Strom die Umwälzung von Wassermassen sicherstellen. Eingangs konnte dargestellt werden, dass die vier Systeme gleiche Massenströme erfordern. Beim Druckverlust gibt es jedoch eine Rangliste:

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Die Pumpe im Anbindesystem ackert mit geringster Leistung, die in der Einrohrheizung verballert laut Liste am meisten elektrischer Energie.
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Blick über Alles
Betrachtet man das Gesamtkunstwerk, so kann durchaus der Standard als Preis / Leistungssieger gekürt werden. Die hydraulischen Notwendigkeiten beim Abgleich sind überschaubar, die Verlegung ist durch versierte Monteure sicher gut durchführbar. Der Verbrauch von handelsüblichen Materialien, und damit Lagerware, bleibt im Rahmen. Die Regelbarkeit ist hervorragend und erprobt. Die Standardverlegung wird in punkto Wasserheizung also so schnell nicht abgelöst. Auf dem zweiten Platz - was Technik und Beherrschbarkeit angeht - wird sicherlich Tichelmann seine Berechtigung im Einsatz für feine Hydrauliken behalten. Die Vorteile beim hydraulischen Abgleich und der geringe Mehraufwand beim Planen rechtfertigen diese Königsdisziplin. An dritter Stelle ist „Quick and Dirty“, das Anbindesystem zu finden. Es zwingt zur schnellen Verlegung, da es ansonsten wegen des verschwenderischen Umgangs mit Rohrmaterial zu teuer ist. Dem Trend des Preisdrucks folgend wird es für einige Anwendungen konkurrenzfähig bleiben.

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Abgeschlagen und reif für die technische Halde ist das Einrohrsystem. Nur noch im Bestand wird man mit diesem Unfug zu tun haben. Die Auslegung in Neuanlagen dürfte der Vergangenheit angehören. Zumal die Einsparung der einfachen gegenüber der doppelten Leitungsführung durch größere Heizkörperdimensionen und kräftigere Pumpen auch noch aufgehoben wird.

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