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Kaltes Trinkwasser

Kühler Kopf kontra Keime

Um das Wachstum von Mikroorganismen zu minimieren, müssen neben der Stagnationsvermeidung und der Begrenzung des Nahrungsangebotes insbesondere die Temperaturbereiche vermieden werden, die im Wachstumsoptimum der Erreger liegen und die den Aufwuchs von Krankheitserregern positiv beeinflussen. Hierüber sind sich die Fachleute einig.

Hohe Umgebungslufttemperaturen sind die Hauptursache für kritische Kaltwassertemperaturen.

Welche Maßnahmen geeignet erscheinen, hygienisch bedenkliche Temperaturen zu vermeiden, lesen Sie in diesem Bericht.

Innere Wärmelasten

In Installationsbereichen sorgen neben den warmgehenden Leitungen der Sanitär- und Heizungstechnik weitere Wärmequellen (z. B. aus der Elektro- und Lüftungstechnik) für Lufttemperaturen, die erfahrungsgemäß deutlich höher liegen als bei 25 °C. Der Wasserinhalt einer hier installierten kalten Trinkwasserleitung wird selbst bei hochwertiger Dämmung gemäß DIN 1988-200 in einer kurzen Stagnationsphase bis auf Umgebungstemperatur erwärmt. Bei den heute noch üblichen Installationsstandards muss damit gerechnet werden, dass nach einer Stagnationsphase kurzzeitig übererwärmtes Kaltwasser mit Temperaturen > 25 °C aus der Entnahmearmatur austritt.

Nach Ablaufenlassen des Stagnationswassers muss gemäß DIN 1988-200 spätestens nach 30 Sekunden die Temperatur des kalten Trinkwassers geringer sein als 25 °C. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist die Gebrauchstauglichkeit der Trinkwasserinstallation im Sinne dieser normativen Regel nicht mehr gegeben.

Um künftig dem Verbraucher auch nach einer Stagnationsphase kaltes Trinkwasser mit Temperaturen < 25 °C zur Verfügung zu stellen, müssen in einem ersten Schritt zunächst die bisher üblichen Installationsgewohnheiten unter der Zielsetzung einer konsequenten thermischen Entkopplung der kalten Trinkwasserleitungen von Wärmequellen grundlegend verändert werden. Mit planerischen Maßnahmen muss dabei die Wärmeübertragung (Strahlung, Leitung, Konvektion) von Wärmequellen auf Kaltwasserleitungen reduziert bzw. unterbrochen werden.

Eine thermische Entkopplung der kalten Trinkwasserleitungen von potenziellen Wärmequellen lässt sich jedoch nicht immer ohne Weiteres realisieren, wie z. B. bei horizontalen Verteilungskonzepten in temperaturkritischen Zwischendecken. Bereits in diesem Fall kann bei geringem Wasserverbrauch die vom kalten Trinkwasser aus der Umgebungsluft aufgenommene Wärme nicht mehr abgeführt werden. Dies kann zu einer Temperaturerhöhung des kalten Trinkwassers auf Umgebungslufttemperatur führen.

Zur Temperaturhaltung müssen daher noch zusätzlich aktive Prozesse etabliert werden, mindestens automatisierte Wasserwechsel- und Spülmaßnahmen. Aktive Prozesse zur Temperaturhaltung sind auch dann erforderlich, wenn Trinkwasserinstallationen nur periodisch genutzt werden, mit Leerstand an Wochenenden oder in Ferienzeiten und Stagnationsphasen über mehrere Tage bzw. Wochen.

Äußere Wärmelasten

In nicht klimatisierten Gebäuden nähern sich in den Sommermonaten auch die Lufttemperaturen in den Installationsräumen den jeweils vorherrschenden Außenlufttemperaturen an. Modellrechnungen zeigen, dass im Winter bei einer Vollbelegung eines Installationsschachtes mit Heizungs- und Warmwasserleitungen (Bild 1) die mittlere Umgebungslufttemperatur mit 26,2 °C erwartet werden muss. An einem warmen Sommertag, bei abgeschalteter Heizung und Raumlufttemperaturen von 27 °C, ergibt sich rechnerisch eine mittlere Umgebungslufttemperatur im Luftverbund Schacht/Vorwand von 28,2 °C (Bild 2).

Aus diesen ersten Berechnungsergebnissen lässt sich grundsätzlich ableiten, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers eher in den Sommermonaten kritische Grenzen erreicht und auch überschreitet als in den Wintermonaten. Alle beschriebenen passiven Maßnahmen zur thermischen Entkopplung, die im Winter wirksam sind, verlieren in den Sommermonaten mit hohen Raumlufttemperaturen weitgehend an Bedeutung. Eine unzulässige Temperaturerhöhung des kalten Trinkwassers im Winter und im Sommer über eine vorgegebene Temperatur (z. B. 25 °C) kann daher nur mit einem aktiven Prozess, z. B. durch temperaturgeführtes Spülen oder durch Kühlung, verhindert werden.

Die Auswirkung der Außenlufttemperaturen auf die Spülvolumina eines nicht klimatisierten Verwaltungsgebäudes in Nordrhein-Westfalen zeigt Bild 3. In diesem Gebäude wurden die Leitungen für das kalte Trinkwasser durch planerische Maßnahmen von den Wärmequellen konsequent thermisch entkoppelt verlegt. Mit dem installierten Hygienesystem kann eine Überwachung und Begrenzung der Temperatur des kalten Trinkwassers vorgenommen werden. Im gegebenen Fall löst es mit Überschreiten einer Kaltwassertemperatur von 23 °C automatisch einen Spülvorgang aus, der mit Erreichen der vorgegebenen Stopptemperatur von 20 °C wieder beendet wird.

In den Wintermonaten wird die Auslösetemperatur nur selten erreicht, da die Umgebungslufttemperaturen in den Installationsräumen relativ niedrig sind. Das spiegelt sich in den geringen Spülvolumina von ca. 45 l/Tag wider. Sobald sich die Außenlufttemperaturen in den Sommermonaten erhöhen, sorgen die äußeren Wärmelasten für einen deutlichen Anstieg der Temperaturen im Gebäude. Die daraus resultierenden höheren Umgebungslufttemperaturen in den Installationsräumen führen zu einem massiven Anstieg der Spülvolumina bis auf 9000 l/Tag.

Bild 4 zeigt ein weiteres Protokoll einer Anlage, installiert in einem Krankenhaus in NRW. Die Starttemperatur für die Auslösung einer Spülmaßnahme wurde mit 25 °C und die Stopptemperatur mit 20 °C vorgegeben. Bereits in den Wintermonaten reicht der Wasserwechsel durch Wasserentnahme in diesem Objekt nicht aus, um die von den Kaltwasserleitungen aus der Umgebung aufgenommene Wärme insgesamt abzuführen. Dieses Verhalten spricht dafür, dass die thermische Entkopplung der Kaltwasserleitungen von Wärmequellen in diesem betrachteten Fall nicht optimal gelungen ist. Ohne Spülmaßnahmen würde die Kaltwassertemperatur auch in den Wintermonaten regelmäßig über 25 °C ansteigen.

Für eine Temperaturhaltung unter 25 °C müssen daher bereits in den Wintermonaten und in den Übergangszeiten ca. 800 l/Tag Spülvolumen aufgewendet werden. Bei steigenden Außenlufttemperaturen in den Sommermonaten steigt auch hier das zur Temperaturhaltung notwendige Spülvolumen überproportional an und erreicht mit ca. 8000 l/Tag ein Maximum.

In nichtklimatisierten Gebäuden kommt es in den Sommermonaten zwangsläufig immer zu länger andauernden Temperaturüberschreitungen des kalten Trinkwassers. Für das vergangene Jahr 2018 überschritt danach die Außenlufttemperatur laut Deutschem Wetterdienst am Flughafen Köln-Bonn z. B. an fast 150 Tagen 20 °C und an mehr als 90 Tagen 25 °C. Das macht deutlich, dass die Temperaturprobleme für das kalte Trinkwasser, verursacht durch äußere Wärmelasten, über mehrere Monate andauern. Es ist daher nicht zufällig, dass Infektionen mit Legionellen gehäuft in den Sommermonaten auftreten.

In nichtklimatisierten Gebäuden ist eine Temperaturhaltung des kalten Trinkwassers permanent unter 25 °C – nur mit passiven Maßnahmen – technisch nicht möglich.

Damit eine durch die Aufgabenstellung vorgegebene Temperaturgrenze für das kalte Trinkwasser von 25 °C oder besser noch 20 °C zu jedem Zeitpunkt vom Betreiber eingehalten werden kann, bedarf es immer eines geeigneten aktiven Prozesses. Dieser kann darin bestehen, temperaturgeführt zu spülen oder eine Kühlung des kalten Trinkwassers vorzunehmen.

Aktive Maßnahmen

Vergleichende Simulationsrechnungen zeigen, dass dezentral durchgeführte und kurze, intensive Spülmaßnahmen, die dem reinen Wasseraustausch dienen, zur dauerhaften Absenkung der Temperaturen in Stockwerks-/Ringleitungen weniger geeignet sind, da die Wassertemperatur nach einem Spülvorgang innerhalb von weniger als zwei Stunden wieder auf Umgebungslufttemperatur ansteigt. Idealerweise muss der Spülvolumenstrom bei einer vorgegebenen Sollwerttemperatur für das kalte Trinkwasser genau die Wärmemenge abführen, die über die Oberfläche der Rohrleitung aufgenommen wird.

Studien haben gezeigt, dass die Abfuhr der entsprechenden Wärme nur dann effektiv erreicht werden kann, wenn mit geringen Volumenströmen über einen längeren Zeitraum gespült wird. Spülmaßnahmen zur Temperaturhaltung des kalten Trinkwassers sind nur dann ökologisch und ökonomisch sinnvoll, wenn auch in den Sommermonaten das Trinkwasser vom WVU mit niedrigen Temperaturen (<15 °C) in das Gebäude eingespeist wird. Ist dies nicht der Fall, kann nur noch eine aktive Kühlung des Trinkwassers im Kreislauf die Einhaltung der geforderten Temperaturen zu jedem Zeitpunkt und zu jeder Jahreszeit sicherstellen.

Effekte einer Kaltwasserzirkulation

Eine Kaltwasserzirkulation wurde erstmalig in den Hauptverteilungsleitungen von Kreuzfahrtschiffen realisiert. In England und Schottland wird mittlerweile eine Kaltwasserzirkulation für Intensivstationen in Krankenhäusern empfohlen, in denen Patienten durch eine Immunschwäche besonders gefährdet sind. In Deutschland liefert außerdem eine
Reihe von Pilotprojekten mit einer dauerhaften Temperaturhaltung für kaltes Trinkwasser unter 20 °C bezüglich Funktionalität und Wirtschaftlichkeit sehr positive Ergebnisse.

Damit in konventionellen Installationskonzepten ein Zirkulationssystem für das kalte Trinkwasser realisiert werden kann, muss ein zusätzliches Rohrleitungssystem aufgebaut werden. In Strömungsteilerinstallationen ist das nicht erforderlich, da das bereits für die Bedarfsdeckung vorhandene Rohrleitungssystem für die Kaltwasserzirkulation geeignet ist und mitgenutzt werden kann. Bereits bestehende KHS-Anlagen können daher in der Regel mit geringem Aufwand von Spültechnik auf Kaltwasserzirkulation umgestellt werden.

Im Gegensatz zu konventionellen Installationen ermöglichen Strömungsteilerinstallationen die kontrollierte Temperaturhaltung in allen Leitungsteilen bis in den Anschluss der Entnahmearmaturen hinein. Berechnungen zeigen, dass aufgrund der geringen Temperaturdifferenzen zwischen der Umgebungsluft und dem kalten Trinkwasser der Wärmeeintrag – und damit auch die Leistung des erforderlichen Kälteaggregates – relativ gering ist (Bild 5).

Im Gegensatz zur Warmwasserzirkulation mit wesentlich höheren Temperaturdifferenzen sind daher auch die zur Temperaturhaltung erforderlichen Volumenströme in Kaltwasserzirkulationssystemen eher gering. Kemper hat für diese Aufgabenstellungen ein spezielles Ventil entwickelt, in dem die Funktionen Spülen, Regulieren und Absperren vereint sind.

Fazit

Zur Reduzierung des Wärmeübergangs auf das kalte Trinkwasser müssen zunächst alle passiven Maßnahmen zur
thermischen Entkopplung genutzt werden, wie die Leitungsführung in getrennten Schächten, die Abschottung der Schächte zu den Installationsvorwänden, die Erzeugung einer Temperaturschichtung in den Installationsvorwänden, der Anschluss wandmontierter Entnahmearmaturen z. B. über Thermo-Trenner.

Trotz Realisierung dieser Maßnahmen muss in den Sommermonaten, bei Wassereintrittstemperaturen in das Gebäude > 20 °C und Raumlufttemperaturen > 25 °C, damit gerechnet werden, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers längerfristig über 25 °C ansteigt. In der DVGW-Wasserinformation 90 [5] wird sogar als sichere Temperatur des kalten Trinkwassers nur eine Temperatur unter 20 °C angesehen!

Damit eine durch die Aufgabenstellung vorgegebene Temperaturgrenze für das kalte Trinkwasser zu jedem Zeitpunkt vom Betreiber eingehalten werden kann, bedarf es eines aktiven Prozesses. Eine kostengünstige Alternative zur Temperaturhaltung ist die Kaltwasserkühlung. Mit der definierten Durchströmung aller Leitungsteile kann zu jeder Zeit – auch in den Sommermonaten – eine vorgegebene Temperatur des kalten Trinkwassers (z. B. < 20 °C) vor jedem Armaturenanschluss sichergestellt werden. Gemeinsam mit der Zirkulation des Warmwassers bis unmittelbar vor die Entnahmestellen kann eine durch die Trinkwasserhygiene geforderte Temperaturhaltung sowohl im kalten als auch im erwärmten Trinkwasser sichergestellt werden.

Es wird Planern und ausführenden Unternehmen empfohlen, mit dem Auftraggeber eindeutig zu vereinbaren, welche Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser eingehalten werden müssen. Auf Grundlage dieser Vereinbarung können geeignete passive und aktive Maßnahmen geplant und baulich umgesetzt werden. Werden Trinkwasserinstallationen aktuell noch ohne aktive Prozesse zur Temperaturüberwachung und Temperaturhaltung gebaut, muss davon ausgegangen werden, dass künftig gültige Temperaturanforderungen den allgemein anerkannten Regeln der Technik folgend nicht mehr erfüllt werden können.

Der hier gekürzt dargestellte Text ist zuerst in der SBZ 06/19 erschienen. Die ungekürzte Version kann im Archiv auf www.sbz-online.de gelesen werden.

AUTOREN


Timo Kirchhoff (M. Eng.) ist Leiter Produktmanagement bei Gebr. Kemper GmbH + Co. KG in Olpe.
Prof. Dr. Werner Mathys, ehem. Institut für Hygiene, Universitätsklinikum Münster
Prof. Dipl.-Ing. Bernd Rickmann, ehem. FB Energie, Gebäude, Umwelt, FH Münster
Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker, FB Energie, Gebäude, Umwelt, FH Münster


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