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Kälte, Wärme, Platzbedarf

Thermisch bedingte Längenänderung bei Rohren

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Ein hübsches Metallmuster haben die Herren Brückenbauer da aber am Übergang von der Brücke zum Festland reingeritzt. So könnte man glauben und ketzerisch die eigentliche Funktion außer Acht lassen.

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Denn gerade Brückenbauwerke mit ihrer enormen Baulänge sind natürlich einem Phänomen ausgesetzt, dass es in diesem Bericht zu beleuchten gilt. Keine Angst, nach diesem Bericht soll der Anlagenmechaniker nicht umsatteln zum Brückenbauer, aber deutlich mehr Kenntnisse mit sich herumschleppen als vorher. Dabei hilft die Vorstellung von einem Brückenbauwerk mit einer Spannweite von vielleicht 50 Metern, die Auswirkungen zu verdeutlichen.

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Temperatur und Ausdehnung

Im folgenden Bericht dreht es sich auch um Materialeigenschaften sämtlicher Feststoffe. Ein Feststoff hat natürlich von Hause aus eine bestimmte Form und Abmessung. Und wenn nichts dazu kommt oder weggenommen wird, dann bleibt Form und Abmessung normalerweise konstant. Die winzigen Teilchen aus denen ein Feststoff aufgebaut ist, also seine Atome oder Moleküle, schwingen mit relativ gleichmäßiger Geschwindigkeit und finden immer wieder zueinander, ein Feststoff eben. Dieses Schwingen rührt aus der Tatsache, dass die Umgebungstemperatur ein Energieniveau der Teilchen aufrechterhält. Erst bei tiefsten Temperaturen kommt sämtliche Bewegung zum Erliegen, das wäre dann bei minus 273,15 °C. Es ist blanke Theorie, diesen absoluten Nullpunkt zu erreichen. Nur die Vorstellungen zum absoluten Nullpunkt helfen, die folgenden Ausführungen besser zu verstehen. Je weniger sich also die Teilchen eines betrachteten Festkörpers bewegen, desto geringer ist seine Temperatur. Und umgekehrt gilt natürlich, dass mit zunehmender Temperatur immer stärker werdende Bewegungen der Teilchen ausgeführt werden. Der springende Punkt ist, dass diese Teilchen dabei immer mehr Platz benötigen. Der Festkörper dehnt sich also bei zunehmender Temperatur aus. Eine Stahlkugel wird daher bei minus 10 °C einen geringeren Umfang haben als bei plus 10 °C.

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Von der grauen Theorie zur bunten Praxis

Für den Anlagenmechaniker bedeutet dies, dass er bei dem Einbau einer Rohrleitung damit rechnen muss, dass sich deren Abmessung temperaturabhängig verändert. Der Einbau einer Rohrleitung im winterkalten Keller bei plus 5 °C Umgebungstemperatur ist vielleicht die Ausgangslage. Später kann die Rohrleitung durchaus auf eine Betriebstemperatur von 55 °C gebracht werden. Dabei ändert sich natürlich der Umfang des Rohres. Für den Anlagenmechaniker ist diese Rohrweitung jedoch nicht interessant. Entscheidender ist natürlich die Längenausdehnung. Geht man beispielsweise von einem Bürogebäude mit einem 50 Meter langen Kellerflur aus, in dem eine Rohrleitung verlegt werden soll, so wird die Ausdehnung erheblich sein und muss, wen wundert es, irgendwo untergebracht werden.

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Der feine Unterschied

Feststoffe unterscheiden sich natürlich in der Eigenschaft, auf eine Temperaturänderung mit einer Längenänderung zu reagieren. Kunststoffe reagieren beispielsweise wesentlich heftiger auf Temperaturschwankungen als Metalle. Folgende Längenausdehnungs­koeffizienten stehen daher zum Vergleich:

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Rohrmaterial Ausdehnungs­koeffizient α
mm/(m K)
Polyvinylchlorid (PVC) 0,0700
Polyethylen (PE) 0,2000
Polypropylen (PP) 0,1800
Kupfer 0,0170
Gusseisen 0,0115
Edelstahl 0,0100
Stahl 0,0120

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Und wenn es einen mathematischen Wert mit Einheit für diese Ausdehnung gibt, dann ist diese folglich auch berechenbar. Dabei gibt die Einheit von „α“ in mm/(m K) bereits die Formel vor. Die Einheit sagt also aus:

Meine Längenausdehnung, angegeben in Millimetern („mm“ über dem Bruchstrich), ergibt sich abhängig von der verlegten Länge in Meter („m“ unter dem Bruchstrich) und natürlich abhängig von der Temperaturdifferenz in Kelvin („K“ unter dem Bruchstrich). Klar, je länger das verlegte Rohr und je höher die Temperaturdifferenz, desto stärker die gesamte Ausdehnung. Die Formel lautet folglich:

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ΔL = L x α x ΔT

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Darin bedeuten:

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ΔL =     Längenänderung in (mm)

L =     Rohrlänge in (m)

α =     Längenausdehnungskoeffizient in (mm/mK)

ΔT =     Temperaturdifferenz in (K)

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Für das eben genannte Beispiel gilt daher bei der Annahme, es handele sich um eine Stahlrohr, folgender Ansatz:

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Gegeben:

L =     50 m

α Stahl =               0,0120 (mm/mK)

T =     55 °C- 5 °C = 50 K

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Formel:

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ΔL = L x α x ΔT

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ΔL =     50 m x 0,012mm/(mK) x 50 K

ΔL =     30 mm

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Ein Stahlrohr würde sich gemäß dieser Annahmen bei einer Erwärmung von 5 auf 55 °C um 30 Millimeter (3 cm) ausdehnen. Vergleicht man diese Ausdehnung mit der von PE bei sonst identischen Vermutungen, ergibt sich  für diesen Rohrwerkstoff eine Längenänderung von 500 mm. Das sind 50 Zentimeter, also fast 17-mal so viel wie bei dem Stahlrohr.

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Was tun?

„Augen zu und durch“ geht nicht so einfach. Die Längenausdehnung will kontrolliert aufgenommen werden. Die Skizzen zeigen in blau eine kühle Ausgangslage. Jeweils in rot wird das Ergebnis nach der Temperaturerhöhung dargestellt.

A) Die Längenausdehnung in dem 50 Meter langen Kellerflur wird nirgends aufgenommen oder entsprechend gelenkt. Die Abmessungen des Rohres verändern sich folglich.

B) Im einfachsten Fall lässt sich durch die Verlegung eine Aufnahme der Längenänderung erzwingen. Anstatt also 50 Meter in eine Richtung zu steuern kann man durch einen Zick-Zack-Kurs im Keller die Längenausdehnung auf mehrere Teilstücke verteilen. Der Ausgleich erfolgt durch die Richtungsänderungen.

C) Es werden so genannte Kompensatoren gesetzt (in der Skizze einer, mittig). Diese bestehen häufig aus einem in Falten gelegten Rohrstück, auch Faltenbalg genannt. Diese Kompensatoren sind gefertigt um beispielsweise Längenänderungen aufzunehmen. Sie geben konstruktionsbedingt einer Ausdehnung und Zusammenziehung sehr leicht nach. Kleine Dimensionen dieser Kompensatoren lassen sich mit geringer Kraft, also per Hand, zusammendrücken.

D) Es werden Dehnungsbogen montiert. Diese, meist in U-Form angeordnete Konstruktion, nimmt die Ausdehnung durch das „Einknicken“ der Winkel auf. Lange Schenkel des Dehnungsbogens wie in Skizze „E“ dargestellt, sorgen für ein geringes Einknicken als die kurze Variante in D. Für die Variante Dehnungsbogen ist auch die letzte gleitende Befestigung vor der eigentlichen Konstruktion von Bedeutung. Denn schaut man ganz genau hin, stellt man auch ein Einknicken des Rohrverlaufs fest. Dieser kann sehr geschmeidig und wenig belastend erfolgen wie in Skizze „F“ oder aber mit höherer Spannung für die beteiligten Werkstoffe wie in Skizze „G“ dargestellt.

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Besonderheiten

Die beiden gebräuchlichen Varianten zum Längenausgleich, also der Kompensator und der Dehnungsbogen, lassen sich vorausschauend planen und einbauen. Es kann durch eine Vorspannung der spätere Arbeitsbereich schon beim Einbau Berücksichtigung finden.

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Beispiel:

Der Einbau erfolgt im zugigen Bau und im Winter bei 5 °C Umgebungstemperatur. So kalt wird es voraussichtlich während des realen Betriebs der Anlage nicht mehr werden. Das heißt, die Rohrlänge wird nie wieder so kurz sein wie während der Einbauphase. Beide Typen, also Kompensator oder Dehnungsbogen, müssen also nicht in entspannter Lage montiert werden. Es kann bereits ein Einbau erfolgen, bei dem die Position der kürzesten Rohrlänge berücksichtigt ist.

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Beide Arten des Längenausgleichs sind immer auch mit einer Materialermüdung verbunden. Ein mehrfach hin- und her geknicktes Stück Kupferrohr beispielsweise wird erst ein wenig härter, versprödet dann und bricht letztlich. Ein Dehnungsbogen verhält sich natürlich ebenso. Die Materialauswahl und die Art der Montage werden zwar optimiert, trotzdem hat ein solches Bauteil eine begrenzte Lebensdauer. Ein komplettes Ausdehnen und Zusammenziehen auf die jeweiligen Extremwerte wird als ein Lastspiel bezeichnet. Kompensatoren im Heizungsbau sind häufig für 1000 Lastspiele ausgelegt. Durch den schonenden Einbau erreicht man also in der Regel eine Verlängerung der Standzeiten für diese  Dehnungsbändiger.

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Zurück zum Eingangsthema mit dem Brückenfoto. Die Verzahnung sorgt für die Möglichkeit, dass Fahrzeuge einigermaßen bequem über die Dehnungsfuge der Brücke rollen. Denn auch diese Bauwerke sind natürlich im Sommer länger als im Winter. Beim nächsten Überfahren einer Autobahnbrücke achten Sie doch mal auf das obligatorische „Todock, todock“ und bei der Fahrt mit einem Einrad „Todock“.

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