Früher war der Luftwechsel durch Fugenlüftung ausreichend. Doch mit der EnEV und dem GEG sind Gebäudehüllen mittlerweile fast luftdicht. Dadurch fehlt der natürliche Luftaustausch, was zu Schimmel, Feuchteschäden und schlechter Luftqualität führen kann. Deshalb schreibt die DIN 1946-6 vor, dass bei jedem Neubau oder größeren Umbau ein Lüftungskonzept erstellt werden muss. Es sichert die Mindestlüftung zum Feuchteschutz. Im Mittelpunkt steht die Frage: Ist ein nutzerunabhängiger Luftaustausch erforderlich – und wie kann dieser technisch umgesetzt werden?
Schauen wir uns die Erstellung eines normgerechten Lüftungskonzepts also im Detail an. Wir betrachten zunächst die Grundlagen und steigen dann in konkrete Berechnungen, Beispiele und Maßnahmen ein.
Anwendungsbereich der DIN 1946-6
Die Norm DIN 1946-6 ist verbindlich für:
Die zentrale Aussage der Norm: Wird die Mindestanforderungen an die Lüftung nicht allein durch Infiltration erfüllt, sind lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich.
Die vier Lüftungsstufen
In der Norm werden vier Lüftungsstufen dargestellt, die in Planung und Praxis unterschieden werden müssen:
Das Lüftungskonzept muss mindestens die Lüftung zum Feuchteschutz abdecken. Die höheren Stufen (Nennlüftung, Intensivlüftung) verbessern den Komfort und die Energieeffizienz.

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Schritte zur Erstellung eines Lüftungskonzepts
Relevanzprüfung
Ein Lüftungskonzept ist grundsätzlich immer dann erforderlich, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
Beispiel:
Ein Gebäude mit 18 Fenstern. Es sollen 8 ersetzt werden:
8/18 ≈ 0,44 = 44 % > 33,3 % → Lüftungskonzept ist notwendig
Berechnung des Mindest-Luftvolumenstroms
Zum Feuchteschutz muss der Mindestluftwechsel sichergestellt werden:
Einfamilienhaus (EFH): 0,3 h-1
Mehrfamilienhaus (MFH): 0,2 h-1
Die Formel lautet:

: notwendiger Luftvolumenstrom [m³/h]
n: Luftwechselrate [h-1]
V: Nutzvolumen des Gebäudes [m³] = Wohnfläche * Raumhöhe
Beispiel EFH:
Wohnfläche A: 150 m²
Raumhöhe h: 2,5 m
Volumen: V=A*h=150 m2 *2,5 m=375 m³
Luftwechsel: =n*V=0,3 h-1*375 m³=112,5 m³/h
→ Dieser Wert muss dauerhaft ohne Fensterlüftung erreicht werden!
Dieser Volumenstrom ist die Mindestanforderung für die Lüftung zum Feuchteschutz. Für die Nennlüftung werden meist 0,5–0,7 h-1 angesetzt.
Raumweise Luftmengenaufteilung
Die berechnete Luftmenge wird abhängig von der Raumfunktion auf die Räume verteilt. Aufenthaltsräume (Wohn-, Schlaf-, Kinderzimmer) erhalten Zuluft, Feuchträume (Bad, WC, Küche) Abluft.
Beispielhafte Aufteilung:

Überschüsse werden über Überströmöffnungen (z. B. Türspalte, Gitter) ausgeglichen. Es darf keine Rückströmung von Abluft in Zuluftzonen geben.
Infiltration – reicht sie aus?
Der nächste Schritt: Kann die Luftmenge allein durch Undichtigkeiten erreicht werden?
Dies wird in der Regel mit einem Blower-Door-Test geprüft. Dabei wird der n50-Wert bestimmt – also der Luftwechsel bei 50 Pa Druckdifferenz.
Grenzwerte für dichte Gebäude nach EnEV bzw. GEG:
EFH: n50 ≤ 1,5 h-1
MFH: n50 ≤ 1,0 h-1
Wenn der Test zeigt, dass das Gebäude zu dicht ist, müssen technische Lüftungsmaßnahmen eingeplant werden.
Auswahl geeigneter Lüftungssysteme
Wenn lüftungstechnische Maßnahmen notwendig sind, stehen verschiedene Systeme zur Verfügung. Die Auswahl hängt maßgeblich von den baulichen Gegebenheiten, den Anforderungen an den Luftaustausch sowie vom verfügbaren Budget ab.
Grundsätzlich unterscheidet man vier Systemarten:
System A: Fensterlüftung
Beschreibung: Manuelle Lüftung durch Öffnen der Fenster.
Vorteile:
Nachteile:
Einsatzbereich:
System B: Abluftsysteme mit Außenluftdurchlässen
Beschreibung: Ventilatorgestützte Entlüftung aus Feuchträumen (z. B. Bad, WC); Zuluft erfolgt passiv über Außenluftdurchlässe (ALD) in Wohn- und Schlafräumen.
Vorteile:
Nachteile:
Einsatzbereich:
System C: Zentrale Abluft mit passiver Zuluft
Beschreibung: Eine zentrale Abluftanlage saugt verbrauchte Luft zentral ab; frische Außenluft strömt über ALD oder Fensterfalzlüfter nach.
Vorteile:
Nachteile:
Einsatzbereich:
System D: Zentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung (KWL)
Beschreibung: Vollautomatische kontrollierte Wohnraumlüftung mit zentralem Gerät; sowohl Zuluft als auch Abluft werden über Kanäle geführt; Wärmerückgewinnung aus der Abluft.
Vorteile:
Nachteile:
Einsatzbereich:
Besonderheit:
Dezentrale Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung sind formal keine eigene Kategorie innerhalb der Systemtypen A–D nach DIN 1946-6, sie lassen sich aber am ehesten System D zuordnen – allerdings mit dem Unterschied, dass sie dezentral statt zentral arbeiten.
Einordnung:
System D (modifiziert):
Dezentrale Geräte mit Wärmerückgewinnung übernehmen sowohl Zu- als auch Abluftfunktionen für einzelne Räume.
→ Funktional ähnlich wie System D, jedoch auf Raumebene statt zentral im Gebäude.
Besonderheiten:
Typisch bei Sanierungen, wenn ein zentrales Kanalsystem schwer nachrüstbar ist.
Geräteweise Lösung, oft paarweise im Wechselbetrieb
WRG-Wirkungsgrad 60–90 %
Vorteile:
Nachteile:

Bild: ITG / Bundesverband für Wohnungslüftung VfW
Planung einer zentralen KWL-Anlage
Bei Wahl eines zentralen Systems ist die Planung entscheidend. Folgende Schritte sind erforderlich:
Dokumentation und Übergabe: Ein normkonformes Lüftungskonzept muss vollständig dokumentiert sein:
Praxisbeispiel: Sanierung EFH mit Fenstererneuerung
Ausgangslage:
EFH, 120 m², Raumhöhe 2,4 m → V=288 m3
10 von 12 Fenstern werden erneuert → > 33 %
n = 0,3 h-1 → =0,3 h-1 • 288 m³=86,4 m³/h
Planung:
→ Normkonforme Lösung für Feuchteschutz, geringe Kosten, einfache Installation
Fazit
Das Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 ist mehr als nur ein formeller Nachweis – es ist ein wichtiger Bestandteil der Gebäudeplanung und des Gesundheitsschutzes. Besonders in gut gedämmten und dichten Häusern ist ein nutzerunabhängiger Luftwechsel unerlässlich, um Feuchteschäden und Schimmelbildung zu vermeiden.
Wer die Norm versteht, kann nicht nur besser planen, sondern erhöht auch langfristig die Kundenzufriedenheit.
Weiteres Praxisbeispiel: Neubau mit zentraler KWL
Ausgangslage:
Neubau EFH, 160 m² Wohnfläche, Raumhöhe 2,5 m
→ V=160 m² 2,5 m = 400 m³
4 Personen, sehr dichte Bauweise, KfW-40-Haus
n = 0,3 h-1 → =0,3 h-1 • 400 m³=120 m³/h
Ziel: Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung
Luftmengenverteilung nach Wohnräumen

Auslegung des Rohrnetzes
Das Rohrnetz muss strömungstechnisch optimiert sein:
Beispielkanaldimensionierung für 30 m³/h:
Druckverlustberechnung:
Druckverlust ist für die Auswahl des Lüftungsgeräts entscheidend.
Zur Ermittlung der Dimensionierung der Luftleitungen nutzen wir die Gleichung zur Luftförderung:
Q=A*v
Q: Volumenstrom [m³/s]
A: Querschnittsfläche des Kanals [m²]
v: Strömungsgeschwindigkeit [m/s]
Angestrebte Strömungsgeschwindigkeit in Wohnbereichen:

→ Verwendet wird ein flexibler Rundkanal DN75
Für Hauptleitungen mit 120 m³/h → DN125 oder DN160 erforderlich, je nach Verlegeart.
Einregulierung – Schritt für Schritt
Eine korrekt geplante Anlage funktioniert nur, wenn sie auch eingemessen und einreguliert wird. Dazu zählen:
Wichtig: Nur eingeregelte Anlagen erfüllen die Norm.
Rechtlicher Rahmen – was sie wissen sollten
Die Erstellung eines Lüftungskonzepts ist nicht nur fachlich sinnvoll, sondern auch rechtlich vorgeschrieben:
GEG (Gebäudeenergiegesetz): §13 fordert luftdichte Gebäudehülle → Lüftung muss sichergestellt sein
Achtung: Wer als SHK-Fachkraft eine lüftungstechnische Maßnahme umsetzt, ohne Konzept oder Nachweis, kann bei späteren Bauschäden haftbar gemacht werden!
Zusammenfassung und Ausblick
Ein vollständiges Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 umfasst:
Monteure und Auszubildende sind zentrale Umsetzer dieser Konzepte. Wer dieses Wissen beherrscht, kann nicht nur Anlagen korrekt installieren, sondern auch Kunden professionell beraten, teure Bauschäden vermeiden und moderne Energiestandards erfüllen.
Übung
Hier bekommen Sie eine Übung zur Erstellung eines Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 – mit Rechenaufgabe, Luftmengenverteilung und Auswahl eines Lüftungssystems.
Ein Einfamilienhaus mit Baujahr 1983 wird umfangreich modernisiert. Es werden:
Das Haus hat:
Die Eigentümer möchten wissen:
Aufgaben
1. Relevanzprüfung nach DIN 1946-6
2. Luftvolumenstrom berechnen
3. Luftmengenverteilung
Teilen Sie den Luftvolumenstrom exemplarisch auf die folgenden Räume auf:
4. Systemauswahl
1 Bei dichten Gebäuden drohen ohne ausreichende Lüftung Schimmel- und Feuchteschäden.
2 Bei einem Neubau muss grundsätzlich ein Lüftungskonzept erstellt werden, aber auch in der Sanierung gilt es daran zu denken.
3 Die Auswahl des Lüftungssystems hängt von den baulichen Gegebenheiten, den Anforderungen und dem Budget ab.
4 Das Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 ist ein wichtiger Bestandteil der Gebäudeplanung und des Gesundheitsschutzes.
5 Die Erstellung eines Lüftungskonzepts ist nicht nur fachlich sinnvoll, sondern auch rechtlich vorgeschrieben:
6 Kein Lüftungskonzept? Das kann teuer werden und zur Haftung bei Bauschäden führen.

Bild: ronstik – stock.adobe.com

Bild: Vallox

Bild: Kermi

Bild: Bundesverband für Wohnungslüftung VfW
Welche Energieeinsparung liefert eine zentrale KWL-Anlage?
Annahmen:
Volumenstrom laut Nennlüftung: 120 m³/h
WRG-Wirkungsgrad: 90 %
Außentemperatur: −5 °C
Innenraumtemperatur: 21 °C
Wärmekapazität Luft: 0,34 Wh/(m³·K)
Wärmeverlust ohne WRG:
Q=120 m³/h*0,34 Wh/(m³*K)*(21°C−(−5°C))=1060,8 W
Wärmeverlust mit WRG (10 % Verlust):
QWRG=1060,8 W*0,10=106 W
Einsparung
ΔQ=1060,8 W−106 W=954,8 W
Pro Jahr (bei Dauerbetrieb):
Einsparung/Jahr=954,8 W*24h*365 d=8,36 MWh
Tipps für Auszubildende und Monteure
Wartung und Betrieb – das wird oft vergessen!
Ein gut geplantes Lüftungssystem kann im Alltag nur dann effizient arbeiten, wenn es auch richtig gewartet wird.
Wartungsintervalle
Tipp für Monteure: Übergeben Sie die Anlage mit schriftlicher Bedien- und Wartungsanleitung, das vermeidet Reklamationen.
Tipp
Es macht auf jeden Fall Sinn zu wissen, was es mit dem Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 auf sich hat. Auch die händische Berechnung sollte ein Fachmann beherrschen.
Aber: Hersteller von Lüftungssystemen bieten meist kostenlose Berechnungstools. Nach Eingabe der entsprechenden Gebäudedaten übernehmen diese Tools die Erstellung des Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 und auch die Auslegung der Lüftungsanlage.
Kundenberatung – ein unterschätzter Erfolgsfaktor
Ein Großteil der Kunden ist mit dem Thema „Lüftung“ nicht vertraut. Monteure und Azubis, die fundiert beraten können, steigern das Vertrauen – und den Verkaufserfolg.
Wichtige Argumente:
Frage für die Beratung: „Möchten Sie auch bei Pollenflug und Straßenlärm frische Luft – ganz ohne Fensteröffnen?“ (→ ideal zentrale KWL)